Mittwoch, 28. Dezember 2011

'Der geteilte Himmel', Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie Berlin

Swantje Karich macht uns mit ihrem Bericht in der FAZ vom 20.11.2011 auf eine im November 2011 eröffnete Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie Berlin aufmerksam, die den Titel 'Der geteilte Himmel' trägt. Der Titel zitiert einen Roman der am 1.12.2011 verstorbenen Schriftstellerin Christa Wolf, in dem sie einfühlsam zeigt, wie eine Liebesbeziehung an der politischen Realität des geteilten Deutschlands zerbricht. Dass eine politische Teilung auch das Leben von Menschen (zer-)teilt und ihre Spuren in der Kunst hinterlässt, will diese Ausstellung auf einem Themenparcours zeigen.
Die Ausstellung 'Der geteilte Himmel' ist der zweite Teil einer Ausstellungstrilogie, deren Programmatik über den Zeitraum von 1900 bis 2000 ausschließlich mit Werken der eigenen Sammlung darzustellen versucht, was die Kunst im zwanzigsten Jahrhundert bewegte, was sie erreichte und woran sie scheiterte. Der erste Teil mit dem Titel 'Moderne Zeiten' umfasste den Zeitraum vom Beginn des Jahrhunderts bis zu den vierziger Jahren. Der zweite Teils dieser Trilogie mit dem Titel 'Der geteilte Himmel' präsentiert Werke aus dem Zeitraum 1945 bis 1968.

Grab von Christa Wolf
Nachdem wir bereits den ersten Teil der Trilogie verpasst haben, nutzen wir im Dezember 2011 die Chance zum Besuch des zweiten Teils. Swantje Karich Titel ihres Artikels in der FAZ 'Gräben zwischen Gräbern, Brücken über Lücken' verweist auf eine auch für uns nachvollziehbare Problematik, die der Beschränkung auf Werke der eigenen Sammlung geschuldet ist. Der Spannungsbogen lässt sich nicht in allen Teilen des Parcours durchhalten. Die Präsentation der sechziger Jahre mutet mitunter etwas schmal oder auch beliebig an. Es sind daher insbesondere die frühen Jahre, die mit großartigen Werken der Nachkriegszeit zunächst Künstler aus beiden Teilen Deutschlands konfrontiert und mit der Konfrontationen gegenüber den Entwicklungen in Europa und der Welt fortsetzt.
Ein Besuch dieser bis zum 31.07.2013 laufenden Ausstellung lohnt sich unbedingt. Leider gibt es keinen Katalog und nicht einmal einen Flyer. Um unsere Eindrücke zu vertiefen, werden wir daher bei nächster Gelegenheit die Ausstellung noch einmal besuchen. Im Unterschied zu einigen weniger erfolgreichen Versuchen sind die Informationen des Audioguides durchweg hilfreich, weshalb die im Eintrittspreis von 8 € enthaltene Nutzung des Audioguides uneingeschränkt zu empfehlen ist. In Ermangelung eines Katalogs hätten wir uns aber mehr kommentierte Bilder gewünscht.




'Vater Staat', Thomas Schütte
Museumsgebäude der Neuen Nationalgalerie

Vor dem Museum empfängt uns mit strengem Blick Thomas Schüttes 3,83 m hohe Bronzeskulptur 'Vater Staat'. Der Skulptur fehlen sichtlich die Hände, was ebenso wie Gestus und Haltung einen breiten Raum für Deutungen öffnet. Thomas Schütte versteht seine Skulptur nicht als eine explizit politische Aussage, weil er von 'Bekenntnis-Skulpturen' generell nichts halte. Der Titel sei entstanden, weil das Miniaturmodell der Skulptur dem Politiker Wolfgang Schäuble ähnelte.








Skulptur von Duan Hanson im Untergeschß der Neuen Nationalgalerie Berlin
Neue Nationalgalerie Berlin, Obergeschoss
















Die Neue Nationalgalerie wurde 1968 im Berliner Westen als Gegenstück zu der im Ostteil der Stadt liegenden  Nationalgalerie auf der Museumsinsel eröffnet. Der Ausstellungstitel kommentiert die Teilung des Himmels als Ausdruck eines politischen Programms, das die Kulturpolitik auf beiden Seiten einbezieht.
Das Gebäude für die Sammlung des 20. Jahrhunderts hat Mies van der Rohe konzipiert, ein herausragender Architekt der Bauhausschule Nach dem 2. Weltkrieg hat Mies van de Rohe mit atemberaubend kühnen Hochhäusern in Großstädten der USA neue Maßstäbe für moderne Architektur gesetzt. Die Architektur der Nationalgalerie bleibt dagegen erdverbunden und stellt sich in den Dienst der Kunstwerke.
Auf der Ausstellungsebene begegnen wir in einer realistischen Skulptur von Duan Hanson erneut 'Vater Staat', den dieses Mal ein eifriger Diener in seiner brutalen Eigenschaft repräsentiert.

Von den insgesamt 16 Stationen des Themenparcours ist die erste Hälfte mit Ausnahme der Station 6 absolut faszinierend. Station 6 präsentiert unter dem Titel 'Double Elvis' Werke der seriellen Malerei, u.a. von Andy Warhal, denen wir wenig abgewinnen können, und die auf uns eher abgestanden wirken.

Titel der ersten 8 Stationen:
  1. Wahnsinnige Harlekine vor den Trümmern des Krieges
  2. Die rote Wolke
  3. Gelbe Gefahr
  4. Wirbel
  5. Abtransport der sechsarmigen Göttin
  6. (Double Elvis)
  7. O Deutschland, bleiche Mutter
  8. Kupferstichkabinett 
Einen besonderen Höhepunkt bildet die Station 8, die ausschließlich 20 äußerst subtile und feingliedrige Werke des für uns bisher unbekannten und am 30.12.1989 verstorbenen Künstlers Gerhard Altenbourg ausstellt. Glücklicherweise schließt sich heute diese Lücke.
Nachfolgend zitieren wir aus dem Text einer Beschreibung der 'Staatlichen Museen zu Berlin':


'Gerhard Altenbourg (eigentlicher Name: Gerhard Ströch), der zurückgezogen in Altenburg in Thüringen lebte, schuf als nonkonformistischer Einzelgänger in konsequenter Distanz zu den kulturpolitischen Direktiven der DDR ein singuläres, mehr als 6000 Arbeiten - hauptsächlich Zeichnungen und Graphik - umfassendes Œuvre, mit dem er zu den bedeutendsten deutschen Künstlern der Nachkriegszeit in dieser Gattung zählt. Altenbourgs Lebensauffassung und seine Gedankenwelt - gespeist durch seine literarische Bildung - waren der Stoff, aus dem sein Werk erwuchs.

Seine künstlerischen Anfänge standen im Zeichen der traumatischen Kriegserlebnisse, mit denen er - Sohn eines freikirchlichen Pfarrers, zur christlichen Ethik erzogen - als achtzehnjähriger Soldat konfrontiert worden war und die ihn bleibend prägten. Die ausgestellte monumentale Ecce homo-Zeichnung ist ein Zeugnis der tiefen seelischen Verletzung des jungen Künstlers, der seine Abscheu gegenüber einer im Krieg pervertierten Zivilisation durch ein chaotisch-bedrohliches Innenleben des dargestellten männlichen Korpus mit Wunden und Narben, gleichsam durch ein "Enthauten", zum Ausdruck brachte. (...).

Altenbourg hat in seiner Kunst nie die DDR angegriffen; sein Werk ist im Gesamtcharakter unpolitisch, nur in einem vermittelten Sinn konnte es in der DDR als "subversiv" aufgefasst werden, weil es die offiziellen Erwartungen an die Kunst zur Mitwirkung an der sozialistischen Aufbauarbeit unterlief. In einem Interview von 1987 bekannte der Künstler: "Bei mir gibt es kein politisches Denken, weil mein Denken über die gesellschaftlichen Formen hinausgeht. Im Sozialismus und im Kapitalismus wird man geboren und stirbt man. Im Sterben aber ist das Ich ganz allein, da hilft kein Sozialismus und kein freier Markt."


Auf weiteren 8 Stationen besteht selbstverständlich nicht nur Langeweile, sondern auch hier werden einige herausragende Werke präsentiert, u.a. von Mark Rothko und Cy Twombly. Fluxus, Minimal, Zero und Otto Pienes Lichtkunst sind ebenfalls vertreten, können aber nach der spannenden ersten Hälfte des Parcours nicht mehr beeindrucken.

Das Fotografieren ist ohne Blitz prinzipiell erlaubt. Die Ausbeute ist unter den schwierigen Bedingungen bescheiden. Einige Fotos sind halbwegs vorzeigbar und können unter folgendem Link betrachtet werden: Private Ausstellungsfotos vom 28.12.2011















1 Kommentar:

  1. Aktuelle Bilder vom Grab von Christa Wolf habe ich gestern auf meinen Blog gepostet...Grüsse aus Berlin, damien

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