Sonntag, 27. März 2011

Eugen Schönebeck - Er ist wieder da, aber nur vorübergehend zu sehen

Eugen Schönebeck, Der wahre Mensch, 1964
"Er kam, revolutionierte die Kunst und verschwand", schreibt Swantje Karich in einem anregenden Artikel der FAZ vom 23.11.2010, in dem sie auf die Retrospektive im SCHIRN im Zeitraum 22.02.-15.05.2011 aufmerksam macht. Fast alle erhaltenen Gemälde Eugen Schönebecks und etliche bedeutende Zeichnungen sind ausgestellt.

Der 1936 bei Dresden geborene Maler studiert ab 1955 an der Hochschule für Bildende Künste in West-Berlin und lernt dort seinen zeitweiligen Freund Georg Baselitz kennen. Zu Beginn der sechziger Jahre begiebt sich Eugen Schönebeck gemeinsam mit Georg Baselitz auf den Weg, die aktuelle Kunstszene kraftvoll zu erobern. Dann zerbricht die Freundschaft an zwei übermächtigen Egos. Georg Baselitz wird ein Weltstar. Eugen Schönebeck stellt das Malen 1966 ein.
Biographische Anmerkungen in 'Zeit Online' 
Artikel der Tageszeitung 'Die Welt' zur Austellung
Diashow der eigenen Fotoserie




Was wir von Eugen Schönebecks Gemälden wahrnehmen, ist äußerst spannend. Wir möchten die Ausstellung in Frankfurt besuchen, und die Gelegenheit bietet sich bald. Unser traditioneller jährlicher Hochzeitstagausflug führt uns in diesem Jahr nach Saarbrücken, wo wir ein Essen im Gästehaus Klaus Erfort mit einem Besuch der Kelten-Ausstellung in der Völklinger Weltkulturerbe-Industriestätte verbinden. Nach der Übernachtung in Saarbrücken gönnen wir uns auf der Rückfahrt einen Schlenker über Frankfurt, um die Ausstellung in der Kunsthalle SCHIRN zu sehen. Tief beeindruckt vom Besuch der Ausstellung setzen wir uns noch über einige Tage mit Eugen Schönebecks visuellen Statements auseinander.




Eugen Schönebeck ist von van Gogh fasziniert und bewundert die Arbeiten des in Paris lebenden deutschen Malers Wols, der als Begründer des Tachismus gilt, einer europäischen Variante des abstrakten Expressionismus der US-amerikanischen Malerei. In seinen eigenen frühen Arbeiten zeigt sich Eugen Schönebeck vom Tachismus inspiriert. Anfang der sechziger Jahre wendet sich Eugen Schönebeck von der Innerlichkeit des Informels ab und öffnet sich der figurativen Darstellung. Die traumatischen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges bearbeitet Eugen Schönebeck in einer Serie von Kreuzigungsszenen, die in Gestaltung, Ausdruck und Format deutliche Bezüge zu Francis Bacon erkennen lassen. T-Stücke oder Schraubzwingen symbolisieren das Kreuz in einer Reihe weiterer Arbeiten.



In Eugen Schönebeck reift die Überzeugung, als Künstler einem politischen Statement verpflichtet zu sein. Sein Bekenntnis zum Sozialismus bringt Eugen Schönebeck in einigen ikonografischen Porträts zum Ausdruck, mit denen er Andy Warhol und Gerhard Richter vorausgeht. Weitere Werke Eugen Schönebecks knüpfen am sozialistischen Realismus an, ohne in die Kitschfalle zu geraten. Unter dem Eindruck des Mexikaners Diego Rivera beabsichtigt Eugen Schönebeck, die Staffelmalerei zu beenden und sich einer politischen Murales-Malerei zuzuwenden. 1967 stellt Eugen Schönebeck das Malen ein. Gründe für diese Entscheidungen bleiben im Dunkeln. Eugen Schönbecks eigene Statements bieten keine plausible Erklärung für diesen Schritt.




Als Kind einer traumatisierten Kriegsgeneration hinterlässt Eugen Schönebeck aus einer relativ kurzen Schaffensperiode ein dichtes Werk, mit dem er uns eindringlich die Unausweichlichkeit von Schmerz und Schrecken im Leben bewusst macht. Aus Bedingungen menschlicher Existenz erwachsen Konflikte eigener Zerrissenheit als schicksalhafte Gegebenheiten, die verhindern, dass sich menschliche Existenz komfortabel einrichten lässt, ohne moralischen Anspruch und persönliche Integrität aufzugeben.

Ob Eugen Schönebeck eine temporär aufscheinende Möglichkeit der politischen Erlösung als eine realistische Vision betrachtet, bleibt letztlich ungeklärt. Eugen Schönebeck zieht sich zurück und schweigt. Eugen Schönebeck ist vielleicht ein Zweifler, aber er ist kein Verräter. Möglicherweise lassen Zweifel an der Relevanz politischer Ideen Eugen Schönebeck schweigen und motiveren ihn, seinen bereits abgegebenen Statements keine weiteren hinzufügen. Eine moralische Motivation seiner Haltung halten wir für plausibel. Ohne moralische Skrupel wäre Eugen Schönebeck vermutlich zu einem millionenschweren Maler auf Augenhöhe mit Baselitz, Richter und Bacon aufgestiegen. In der Realität lebt er bescheiden, zurückgezogen und schweigend in Berlin. Auf Fragen nach seiner Motivation antwortet er kryptisch. Cornelius Tittel, Kulturchef und stellvertretender Chefredakteuer der 'Welt-Gruppe' führte ein Gespräch mit dem Maler und bringt uns dessen Persönlichkeit in einem Artikel der Tageszeitung 'Die Welt' vom 7.03.2011 näher: Der beste Maler der Welt, von dem sie nie hörten   

Nachbemerkung
Im Februar 2012 ergiebt sich die Gelegenheit zum Besuch einer Ausstellung mit Werken von Georg Baselitz in der Potsdamer Villa Schöningen. Die Ausstellung verweist auf Querbeziehungen zwischen Georg Baselitz und Eugen Schönebeck, die auch in den ausgestellten Arbeiten offenkundig werden.   
Link zum Post über den Besuch der Baselitz-Ausstellung in der Villa Schönigen
Link zu Fotos der Ausstellung 'Georg Baselitz' in der Villa Schöningen

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