Samstag, 27. Oktober 2012

Kulturelles Erbe als Baumaterial für Zukunft - Geschichte & Poesie - Weltsicht von Preußens Baumeister Karl Friedrich Schinkel

Schinkelporträt von Johann Carl Ludwig Schmid, 1832
Anlass der Ausstellung 'Geschichte & Poesie' ist der vor 200 Jahren durch den Angriff Napoléons provozierte Brand von Moskau, den Karl Friedrich Schinkel in einem perspektivisch-optischen Schaubild spektakulär für eine breite Berliner Öffentlichkeit gestaltet hat. Berliner Elite rümpfte ihre Nase über diese vermeintlich geschmackliche Entgleisung, die sie als Anbiederung an ein Massenpublikum verstand.

'Geschichte & Poesie' zeigt einen ganz anderen Schinkel. Obwohl Schinkels Architektur und der von ihm etablierte Architekturstil das historische Stadtbild Berlins und Potsdams prägte und diese Bauwerke als Inbegriff preußischer Architektur gelten, greift die Sicht auf den preußischen Architekten zu kurz.  Link: Diashow der Fotoserie





'Geschichte & Poesie' bringt uns Schinkel als Maler, Designer, Familienvater und Romantiker näher. Die Ausstellung zeigt Schinkel als einen Menschen, der den Wert von Geschichte und Kultur trotz aller Unvollkommenheit respektiert und der zugleich von Utopien einer Welt beseelt ist, die nach ästhetischen Prinzipien harmonisch geordnet ist.

Die Ausstellung vermittelt Schinkel als einen Nachfolger mittelalterlicher Dombaumeister und gleichzeitig als einen Vorläufer von Bauhausideen, die erst 100 Jahre später formuliert werden. Wie die Meister von Dombauhütten und die Meister des Bauhauses ist Schinkel zugleich Architekt und Künstler. Wie die Arbeiten seiner Vorgänger und Nachfolger weisen Schinkels Arbeiten über rein funktionale Zweckbestimmungen hinaus und verfolgen ein Programm außerhalb der stofflichen Welt, in der souveräne Formensprache kein Selbstzweck ist. Schinkels Programm zielt auf die 'ästhetische Erziehung des Menschen' im Sinne Schillers, der Schönheit als Weg zur Freiheit erkannte. Das Pathos dieser Sprache vermeiden wir heute, denken aber ähnlich und fühlen uns Schinkel verwandt, wenn wir unsere Visionen in Begriffen von 'Nachhaltigkeit' formulieren.


Kirche St. Matthäus am Kulturforum Berlin
Landmarke des Kulturforums in Berlin ist die Kirche St. Matthäus, die in ihrer typischen Architektur auch sogleich eine Verbindung zu Preußens Baumeistern herstellt. Der Entwurf dieser Kirche stammt von einem Schüler Karl Friedrich Schinkels, nämlich Friedrich August Stüler. 1846 wurde die Kirche geweiht, fünf Jahre nach Schinkels elendem Tod im Alter von 60 Jahren. Der stilbildende Einfluss Schinkels ist jedoch deutlich erkennbar. Mit seinem schlanken Turm im Stil eines Campanile greift die Architektur des Kirchenbaus auf Vorbilder der oberitalienischen Romanik zurück, während die Struktur der Seitenschiffe auf antike Tempel verweist.







Eingang zur Schinkel-Ausstellung 'Geschichte & Posie'
Beworben wird die Ausstellung mit einem Plakat, dessen Motiv dem Bühnenbild 'Entwurf zur Sternenhalle im Palast der Königin der Nacht' entnommen ist, das Schinkel 1815 als Bühenbildner für Mozarts Oper 'Die Zauberflöte' gemalt hat. Als Besucher begegnen wir mehrfach diesem Motiv, das für die Programmatik dieser Ausstellung steht.
Als romantischer Visionär begnügt sich Schinkel nicht mit rationalen Architekturkonzepten. Diese erscheinen Schinkel als trocken und leblos, sobald sie von der Historie und der Poetik abstrahieren. Seine Ideen von Historie und Poetik formuliert Schinkel als begabter Maler in seinen Gemälden und als Bühnenbildner. Selbst als Möbeldesigner vermag Schinkel seine Ideen einer Synthese aus Tradition und Moderne zu vermitteln.




Porträts der Kinder Schinkels, 1817
Meisterhafte Porträts seiner von ihm selbst gemalten Kinder begrüßen die Besucher gleich zu Beginn der Schinkel-Ausstellung. Ein generelles Fotografierverbot verhindert leider die Aufnahme weiterer und oft sehr eindrucksvoller Arbeiten Schinkels.
Etliche Gemälde Schinkels zeigen antike Tempel oder gothische Kathedralen im Stil der Romantik in idealisierter Landschaft. Vermutlich hat Schinkel seine Visionen einer idealen Welt gemalt, in der Geschichte (Politik) und Poesie (Schönheit und Wahrheit) versöhnt sind.
Schinkels Architektur weist aus der Gegenwart in eine noch nicht bestimmbare Zukunft und findet eine eigene Formensprache, die Architekturelemente der Antike und Gotik mit unverkennbarer Neuartigkeit und Eigenständigkeit verbindet. Schinkels Architektur bildet Brücken zwischen Vergangenheit und Zukunft und scheint als Landmarke dienen zu wollen auf dem Weg in eine ideale Welt.



Schinkels Panaorma 'Köln von St. Kunibert aus', 1817
Die Vollendung des Kölner Domes war im 19. Jahrhundert eine politische Aufgabe, mit der Preußen sein Ansehen bei den misstrauischen Rheinländern nachhaltig zu verbessern hoffte. Die Domvollendung wurde zu einem patriotischen Projekt, mit dem sich Schinkel als Leiter der preußischen Oberbaudeputation zu beschäftigten hatte. Möglicherweise hat Schinkel darüber hinaus in der Stadt Köln am Rhein einen Ort gesehen, der seinem Ideal einer mittelalterlichen Stadt am Fluss nahe kommt, ein mehrfach von Schinkel variiertes Motiv, das seine Nähe zu romantischen Idealen zeigt. Jedenfalls hat Schinkel ein mittelalterlich idealisiertes Köln-Panaroma für den Kölner Kunstsammler und Historiker Sulpiz Boisserée erstellt, der die Vollendung des Dombaus in Köln leidenschaftlich unterstützte.





Zu Recht betrachtet Andreas Kilb in seinem Artikel der FAZ vom 10.09.2012 die Rekonstruktion eines Panoramas vom brennenden Moskau als Höhepunkt der Ausstellung. Der Brand von Moskau steht für Napoléons Niederlage im Rußlandfeldzug, von der insbesondere Preußen profitierte. Schinkel malte 1812 das Panaroma als ein monumentales 'Diorama' von Geschichte und Poesie für das 'Optisch-Mechanische Theater' von Wilhelm Gropius und erzielte damit seinen größten Publikumserfolg.

Einen größeren Publikumserfolg, als wir ihn bei unserem Besuch erlebt haben, wünschen wir der Austellung 'Geschichte & Poesie' im Kulturforum Berlin, in der es um viel mehr als um einen preußischen Architekten geht. Schinkel fragt nicht nur nach Bedingungen für die Gestaltung eines lebenswerten Lebens, sondern er bietet bedenkenswerte Antworten an. Diese Tiefenstruktur entstaubt und damit erst sichtbar gemacht zu haben, verdanken wir der Ausstellung 'Geschichte & Poesie'. Jenseits der Ausstellung seien Interessierte auf den lesenswerten Wikepedia-Artikel über Karl Friedrich Schinkel aufmerksam gemacht: - Wikipedia: Karl Friedrich Schinkel


Rundgang in der 'Gemäldegalerie Staatliche Museen zu Berlin (smb)

Niederländische Sprichwörter, Pieter Bruegel d. Ä.
Das Ticket für die Schinkelaustellung berechtigt zum Besuch weiterer Museen im Kulturforum Berlin. Das 'Kupferstichkabinett' interessiert uns nicht so sehr wie die 'Neue Nationalgalerie', der wir jedoch erst im Dezember letzten Jahres einen ausführlichen Besuch gewidmet haben. - Post des Besuchs vom 28.12.2011
Im Ergebnis bevorzugen wir die für uns noch unbekannte Gemäldegalerie smb, die im Kulturforum seit dem Jahr 1998 untergebracht ist. - Diashow der Fotoserie
Die Geschichte der Sammlung beginnt mit einem von Karl Friedrich Schinkel im Stil des Klassizimus auf der Museumsinsel erbauten 'Könglichen Museum am Berliner Lustgarten' für Werke der 'hohen Kunst' (heute das 'Alte Museum' auf der Museumsinsel). Feudale, nicht öffentliche, Kunstsammlungen sollten in Museen überführt werden, um dem Bürgertum eine umfassende kulturelle Bildung zu ermöglichen. Nach und nach entstand das Ensemble der Museumsinsel.



Venedigansicht von Canaletto
Zur Eröffnung im Jahr 1830 wurde der Schinkelbau als 'Neues Museum' mit Kunstwerken aus den königlichen Schlössern und gezielten Aufkäufen von Privatsammlungen ausgestattet. Ab 1908 war in dem Gebäude die Antikensammlung untergebracht, die 1942 ausgelagert wurde. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Gebäude als Kulisse für Propagandaveranstaltungen missbraucht und ab 1942 als Möbellager genutzt. Nach starken Kriegsschäden erfolgte von 1951 bis 1966 der Wiederaufbau als erstes Museum der Museumsinsel. In der Gegenwart dient das ehemals 'Neue Museum' wieder als 'Altes Museum' zur Ausstellung der Antikensammlung.






Gemälde von Sandro Botticelli
Gemälde von Sandro Botticelli
Gemälde von Sandro Botticell


Gemälde von Rembrandt
Die Webseite der Staatlichen Museen zu Berlin erklärt zu diesem Museum: "Die Gemäldegalerie besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen europäischer Malerei vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, die seit dem Gründungsjahr 1830 systematisch aufgebaut und vervollständigt wurde. Meisterwerke aus allen kunsthistorischen Epochen, darunter Gemälde von van Eyck, Bruegel, Dürer, Raffael, Tizian, Caravaggio, Rubens, Rembrandt und Vermeer sind hier ausgestellt."









Zentrale Wandelhalle der Gemäldegalerie
Die erwähnten Meisterwerke hätten wir uns gerne angeschaut, müssen jedoch erkennen, dass im Rahmen eines Kurzbesuches diese Absicht allein schon durch die Größe der ausgestellten Sammlung zum Scheitern verurteilt ist. Ein fast 2 km langer Rundgang führt auf 7.000 qm Ausstellungsfläche durch insgesamt 72 Säle und Kabinette mit ca. 1.500 ausgestellten Werken aus einem Gesamtbestand von rund 3.000 Gemälden. Ein Flyer mit Lageplan bietet zwar eine gewisse Orientierungshilfe, aber die Bilder scheinen nicht immer so gehängt zu sein, wie es der Flyer aussagt. Wir finden keinen sinnvollen Pfad durch die Sammlung und fühlen uns zeitweilig wie in einem Labyrinth gefangen. Eine gezielte Suche nach einzelnen Malern oder Werken geben wir unter diesen Bedingungen auf und schlendern lediglich durch die Räume.





Gemälde von Hieronymus Bosch
Gemälde von Hieronymus Bosch
Auf unserer eher zufälligen Route entdecken wir immerhin etliche hochkarätige Werke und müssen bedauern, heute nur Zeit für einen Schnelldurchgang zu haben. Wir erkennen zumindest, dass sich ein Besuch unbedingt lohnt und fassen daher den Vorsatz, bei unserem nächsten Berlinaufenthalt die Gemäldegalerie noch einmal mit einem großzügigeren Zeitbudget aufzusuchen und diesen Besuch besser vorzubereiten.

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