Motiv am Filmmuseum Potsdam |
Obwohl keine expliziten Fragen formuliert und keine Antworten präsentiert werden, begeistern uns Konzept und inhaltliche Aufbereitung der Ausstellung. Was Friedrich II. zu 'Friedrich den Großen' gemacht hat, ist ausgiebig abgehandelt und daher kein Thema dieser Ausstellung. Wir erkennen drei implizite Leitfragen:
Was für ein Mensch war 'Friedrich der Große'?
Welche Kräfte trieben seine Motivation?
Welchen Preis zahlte Friedrich II. für seine Größe?
Einfache Antworten verbieten sich in Anbetracht der Komplixität dieser Problematik.
Link: Webseite der Ausstellung 'Friederisko' Link: Diashow der Fotoserie
Front des Neuen Palais im Garten Sanssouci |
Unsere Nachbetrachtungen konzentrieren sich in diesem Post auf unsere privaten Eindrücke der Ausstellung 'Friederisko'. Leider besteht ein striktes Fotografieverbot, weshalb neben einigen Außenaufnahmen nur wenige Innenaufnahmen möglich sind.
Hinsichtlich der Geschichte dieses Schlosses verweisen wir auf einen Wikipedia-Artikel sowie auf die ausgesprochen informative Webseite der Ausstellung (Link oben).
Gartenseite des Neuen Palais im Garten Sanssouci |
Die Frage nach dem Einfluss von Friedrichs Homosexualität auf seine Persönlichkeit und sein Sozialverhalten ist spekulativer Art und verspricht keine belastbaren Antworten. Dass seine sexuelle Ausrichtung prägend war, darf als sicher gelten. (Artikel der Süddeutschen Zeitung: Der schwule Fritz)
Saal im Neuen Palais, Potsdam |
Saal im Neuen Palais, Potsdam |
Persönlich mochte Friedrich II. das 'Neue Palais' nicht und äußerte sich mit wenig Begeisterung zu dem von ihm selbst beauftragten Schloss. Er bezeichnete die prunkvolle Anlage als 'fanfaronnade' (Prahlerei, Angeberei). Im Schloss wohnte er nur anlässlich jährlicher Verwandschaftstreffen an wenigen Wochen im Jahr. Diese Treffen waren keinen Traditionen oder etwa der Pflege emotionaler Verbundenheit geschuldet, sie dienten der machtpolitischen Vernetzung.
Saal im Neuen Palais, Potsdam |
Motiv am Neuen Palais, Potsdam |
Als Grauhaarige erinnern wir uns jedoch an Rudolf Augsteins brilliante Biographie "Preussens Friedrich und die Deutschen" (1968) und Alexander Mitscherlichs phänomenalen Aufsatz "Könige sind archetypische Gross-Väter", der 1969 in der Wochenzeitschrift 'Der Spiegel' veröffentlicht wurde. Augsteins und Mitscherlichs Analysen, die inzwischen nicht mehr vielen Menschen präsent sein dürften, können als Wegbereiter oder sogar geistige Väter der Ausstellung 'Friederisiko' verstanden werden. Fast erscheint es uns, als wenn Augstein und Mitscherlich beratend an der Ausstellung mitgewirkt hätten und die Aussteller die Empfehlungen angenommen hätten. Insofern erkennen wir eine posthume Ehrung der Autoren und eine Bestätigung der Aussteller.
Allerdings stellt die ausstellungswürdige Präsentation von Sachverhalten völlig andere und deutliche schwierigere Anforderungen als eine Beschreibung von Sachverhalten. Dass diese Transformation den Ausstellern exzellent gelungen ist, bestätigen 350.000 Besucher an den 160 Ausstellungstagen.
Als herausragend empfinden wir, wie eine hoch komplexe und vielgestaltige historische Persönlichkeit in ihrer Entwicklung und ihrer Widersprüchlichkeit mit ihren Abhängigkeiten und Wechselwirkungen ohne Zugeständnisse an das qualitative Niveau auch für Nicht-Experten lebendig wird. Heute erleben wir eine Ausstellung in Perfektion, die das Schwere leicht erscheinen lässt, ohne leichtgewichtig oder oberflächlich zu werden.
Mit einem Gewicht von 2,3 kg fällt dagegen der umfangreiche Ausstellungskatalog physisch schwergewichtig aus. Zum Preis von 29 € ist die exzellente Qualität dieses Schwergewichtes ein attraktives Angebot, dem wir nicht widerstehen.
Nach unserem mehrstündigen Rundgang sind wir mit Informationen überladen und brauchen erst einmal eine kleine Verschnaufpause, ehe wir unsere Exkursion in der Gartenanlage Sanssouci fortsetzen. Über unsere neuen Entdeckungen im Garten Sanssouci berichten wir an anderer Stelle: Link: Streifzug durch Potsdam und Berlin
Nachtrag
Laut Masterplan wird die Sanierung des 'Neuen Palais' erst im Jahr 2017 abgeschlossen sein. Für Maßnahmen im Zeitraum 2013-2017 sind Kosten in der Größenordnung von mehr als 20 Millionen Euro kalkuliert. Das ist selbstverständlich ein stattlicher Betrag, der aus öffentlichen Mitteln gestemmt werden muss.
Im Vergleich zum Neubau des Bundesnachrichtendienstes in Berlin Mitte relativiert sich jedoch die Größe dieser Summe. Nach jüngsten Meldungen sollen die Baukosten des BND-Neubaus 912,4 Millionen Euro betragen. Allein der letzte Nachschlag für die Aufstockung der Baukosten beträgt 101 Millionen Euro. Die Gesamtkosten des Projektes inkl. Inneneinrichtungen und Umzug von 4.000 Mitarbeitern dürften sich in der Nähe von 1,5 Milliarden Euro bewegen, die aus Steuermitteln zu leisten sind, wie sich selbstverständich und unbeeindruckt vom misarablen 'Branding' des BND duch die 'NSU-Affaire' versteht.
Noch stärker relativiert sich der Sanierungsbedarf für das 'Neue Palais' mit Blick auf das Disaster, dass aktuell am 'Flughafen Berlin-Brandenburg' inszeniert wird. Gemäß von statista Gmbh veröffentlichte Zahlen zur Kostenentwicklung des Projektes sind die ursprünglich geplanten Kosten von 2,4 Milliarden € inzwischen auf erwartete 4,3 Milliarden € angestiegen. Damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Am Abend des 8.11.2012 melden mehrere Medien, dass das Berliner Abgeordnetenhaus soeben weitere 444 Millionen € genehmigt hat, was bis zur Eröffnung nicht das letzte Wort sein muss. Damit keine Missverständnisse aufkommen, sei ergänzt, dass es sich nicht um eine Spende der Abgeordneten handelt, sondern um öffentliche Mittel. Die Zeche zahlen wir gemeinsam. Gefragt hat uns niemand.
Exkurs über Friedrichs II. schottische Vertraute des Keith-Clans
Die Ausstellung 'Friederisiko' verweist auf einen Schotten mit Namen 'Keith' (in Preußen 'Keit' genannt), den Friedrich II. mit seinem oft anzüglichem und verletzendem Spott verschont habe. Als Liebhaber schottischer Kultur und Natur möchten wir natürlich mehr erfahren über die Art der Verbindung zwischen Friedrich II. und dem Schotten Keith. Wir gehen dieser Frage nach und finden einige interessante Aspekte. U. a. zeigt sich, dass es in Friederichs Umgebung gleich mehrere 'Keiths' gibt, die wir erst einmal sortieren müssen.
Zu den engsten Vertrauten des Königs gehörten die Brüder James und George Keith aus altem schottischen Adel. Aufgrund ihrer Beteiligung an den Jakobitenaufständen (1715-1719) mussten sie aus Schottland fliehen, nachdem sie vom Parlament wegen Hochverrats geächtet und zum Tode verurteilt wurden. Link: Wikipedia-Artikel Jakobiten
Als Kronprinz war der spätere König Friedrich II. mit einer Nebenlinie des Keith-Clans vertraut, die es von Schottland über Schweden nach Pommern verschlagen hatte. Peter Karl Christoph von Keith und sein Bruder Robert waren als Leibpagen enge Vertraute des Kronprinzen Friedrich und eingeweiht in dessen Fluchtpläne, mit denen er sich der Gewalt seines strengen Vaters entziehen wollte. In der Nacht vom 4. auf den 5. August 1730 versuchte Friedrich zusammen mit dem Pagen Peter Keith über Frankreich nach England zu fliehen. Friedrich warnte nach Aufdeckung des Fluchtversuchs Peter Keith, der sich nach England retten konnte, während Robert Keith aus Angst aussagte und daraufhin von Friedrich Wilhelm I. als 'Füsilier' (ein mit Steinschlossflinte bewaffneter Soldat) zur Leibkompanie versetzt wurde.
Nach Friedrichs Thronbesteigung kehrte Peter Karl Christoph von Keith nach Preußen zurück. Er wurde zunächst Stallmeister im Rang eines Oberstleutnant und ab 1747 Kurator der Akademie der Wissenschaften, in die auch die Brüder James und George Keith berufen wurden.
Friedrich II. ernannte den hochgebildeten und militärisch erfahrenen James Keith 1747 zum Generalfeldmarschall der preußischen Armee und 1749 zum Gouverneur von Berlin. George Keith folgt 1747 seinem Bruder James nach Berlin. Friedrich II. ernannte George Keith 1751 zunächst zum Gesandten in Paris und ab 1754 zum Gouverneur von Neuchâtel in der Schweiz, das unter preußischer Verwaltung stand. Friedrich II. wies George Keith an, den in großen Schwierigkeiten lebenden französischen Aufklärer Jean-Jacques Rousseau zu schützen und materiell zu unterstützen. Als George Keith dann auch noch auf Befehl Friedrichs die Folter und die öffentliche Kirchenbuße abschaffte, geriet er selbst in Schwierigkeiten mit dem konservativen Lager und insbesondere mit dem Klerus, so dass George Keith vorübergehend andere Aufgaben wahrnahm.
In der Zwischenzeit verstarb James Keith 1758 im 'Siebenjährigen Krieg' bei der Schlacht von Hochkirch, nachdem er vergeblich versucht hat, Friedrich II. von diesem taktisch gefährlichen Standort abzuhalten. Friedrich II. ließ James Keith in der Garnisonskirche von Potsdam bestatten und setzte ihm ein Denkmal am Berliner Wilhelmplatz.
Friedrich II. bewirkte die Rehabilitation von George Keith und die Erstattung von dessen Gütern. Georg Keith besuchte 1763 noch einmal seine Heimat, kehrte aber 1764 auf Bitte Friedrichs II. im Alter von siebzig Jahren nach Preußen zurück. Um den König war es bereits einsam geworden. Er wollte Keith in seiner Nähe wissen, am liebsten in seinem Schloss. Aber Keith war klug genug, auf einen eigenen Wohnsitz in der Halbdistanz zu bestehen. Friedrich II. ließ für George Keith in Sichtweite von Sanssouci das heutige Lordmarschallhaus (auch als 'Keith-Haus' bezeichnet) in der Brandenburger Vorstadt von Potsdam bauen. Mit George Keith' Tod im Jahr 1778 verstarb Friedrichs letzter Vertrauter.
Zuletzt blieben dem König in seiner Vereinsamung und Verbitterung nur seine Hunde Alcmene und Thisbe, neben denen er auf Sanssouci bestattet werden wollte. Diesen Wunsch erfüllte ihm sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., nicht. Er ließ Friedrich II. in der Garnisonskirche bestatten, neben dessen verhassten Vater, dem 'Soldatenkönig' Friedrich Wilhelm I.
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