Freitag, 26. Juli 2019

Dinner im neuen Glurnser Restaurant Flurin

Außenterrasse Restaurant Furler Im Sommer des vergangenen Jahres fanden im Zentrum von Glurns in einem Gebäude aus dem 13. Jahrhundert Bauarbeiten statt. Das Haus hat Fred Ortler erworben, der in Glurns 3 Einzelhandelsgeschäfte betreibt. Im Erdgeschoss soll ein höherklassiges Restaurant eröffnen. In Obergeschossen werden kleine Wohneinheiten realisiert. Inzwischen sind Bar und Restaurant Flurin eröffnet. Die Flurin Bar liegt unmittelbar an der verkehrsreichen Florastraße und übertönt den Verkehrslärm mit dröhnender Disco-Musik. Uns schreckt dieses Setting ab. Viele Menschen scheint es nicht zu stören oder im Gegenteil eher anzuziehen. Wenn wir durch die Florastraße gehen, sind Innenraum und Außenterasse gut besucht. In weiteren Räumen ist das Flurin Restaurant mit dem Anspruch einer kreativen regionalen Küche auf hohem Qualitätsniveau angesiedelt. Wir reservieren zum Dinner, um ein eigenes Bild zu zeichnen. - Fotoserie


Restaurant Furler Innenhof-Terrasse Restaurant FurlerRestaurant Furler

Um 18:00 Uhr sind wir die ersten Gäste, aber im Laufe des Abends füllt sich das Restaurant. Der Service empfängt uns aufmerksam und freundlich und weist uns einen Tisch in einem der beiden flurartigen Haupträume zu, in denen 2 Tischreihen relativ locker platziert sind. In 2 offenen Nebenräumen stehen runde Tische, die sich für kleinere Gruppen eignen. Im Hof befindet sich eine Außenterrasse, die für uns eher unattraktiv wäre, aber bei der heutigen Wetterlage ohnehin nicht bespielt wird. In den Innenräumen wirken die Mischung von altem Gemäuer, modernen Möbeln, stylischer Beleuchtung und sparsamer Tischdekoration sowie der Verzicht auf alpenländischen Kitsch auf uns sympathisch. Über Farben kann man diskutieren, aber die Raumgestaltung zeigt, dass hier ein Designer am Werk war, der sein Handwerk versteht. Disco-Musik aus Küche und Bar dringt nur gedämpft in das Restaurant. Wir empfinden sie trotzdem als lästig.

Das Restaurant hat bereits etliche positive Bewertungen im Portal Tripadvisor erhalten (40/48 votieren ausgezeichnet), die wir nicht einschätzen können. Küchenbewertungen lesen wir bei Tripadvisor mit Skepsis, weil die geschmackliche Kompetenz eines großen Anteils aller Menschen unserer Kultur nicht an Slow Food ausgerichtet ist, sondern von industriellen Fertiggerichten, Convenience Food, Fast Food, Junkfood und künstlichen Aromen verdorben ist. Gastronomien, die große Portionen zu günstigen Preisen im chicken Ambiente anbieten, erhalten positive Bewertungen. Engagierte Küchenkultur bleibt oft unverstanden und provoziert entsprechende Bewertungen. Umgekehrt werden aus Unkenntnis und Dummheit mitunter Bewertungen abgegeben, die von Inkompetenz zeugen oder von Trumps postfaktischen Fake News inspiriert sein könnten. So behauptet etwa EEK-ZH: "Es ist schwierig (wenn nicht unmöglich) zwischen Zernez und Meran eine bessere Küche zu finden." Welch ein Unsinn!

Speisekarte Restaurant Furler Speisekarte Restaurant FurlerBrotkorb Restaurant Furler

Die Speisekarte ist mit 4 Vorspeisen, 3 Hauptgerichten und 3 Dessert übersichtlich, was wir ebenso positiv werten wie kundenfreundliche Preisgestaltung. Zusätzlich wird jeweils ein Tages-Special angeboten. Schlichte südtiroler Bauernküche, die selbstverständlich hochwertig sein kann und Traditionsgerichte wie Speckbrett, Schlutzkrapfen, Leberknödel, Marende, Frittatensuppe, Apfelstrudel etc. umfasst, sind auf der Karte ebensowenig zu finden wie in Südtirol nahezu allgegenwärtige Pizzen, sondern einheimische Produkte in kreativ interpretierten Kompositionen, die an schwerelos-aromatischen internationalen Küchenstilen Maß nehmen.

Mit der Speisekarte erhalten wir eine Getränke-Barkarte, die forsch bepreiste offene Weine, aber keine Flaschen vorsieht. Auf Nachfrage wird eine Weinkarte ausgehändigt, die nicht besonders umfangreich ausfällt, aber eine ausreichende Auswahl Qualitätsweine enthält. Die Kalkulation von Flaschenweinen ist fair. Dass die Weinkarte aus diesem Grund nicht offensiv angeboten wird, ist Spekulation. Der unaufgefordert bereitgestellte Brotkorb enttäuscht. Gefallen finden wir dagegen an einer hausgemachteten Butter, die mit fein pürierten karamellisierten Röstzwiebeln aromatisiert ist.


Weinbegleitung: Rasa dei Frati 2017Gruß aus der Küche: Hirschcarpaccio, Mozarella, BeerenobstWir entscheiden uns für das 3-gängige Menü zum sympathischen Preis von 38 € und wählen jeweils die gleichen Vorspeisen und Hauptspeisen sowie unterschiedliche Desserts.
Als Weinbegleitung wählen wir einen Rosé Cà dei Frati Rosa dei Frati Riviera del Garda Classico DOC 2018 zum Preis von 24 € (um 10 € im Einzelhandel) und befinden nach dem ersten Schluck, dass wir eine gute Entscheidung getroffen haben.
Als Gruß aus der Küche kommt ein Hirschcarpaccio auf einem cremigen Confit mit Kapern und Blaubeeren. Produktqualität, Aromatik und Textur der Komposition bereiten Freude und steigern unsere Erwartungen an das Menü. Abgesehen vom Brot ist der Auftakt gelungen. Die volle Wahrheit offenbart sich erst auf nachfolgenden Tellern.


Vorspeise und Hauptgericht
Hauptgericht: Gebeizte Lachsforelle, Salsa Romesco, Pfirsich Fenchelsalalt zum HauptgerichtVorspeise: Gebeizte Lachsforelle, Johannisbeere,  Karotten

Unsere Vorspeise, Gebeizte Lachsforelle x Johannisbeere x Karotte, ist auf einem Chutney-Spiegel geschichtet. Der Durchmesser der Komposition ist nicht größer als 5-6 cm. Größe verstehen wir nicht als Qualitätskriterium, aber den Begriff Vorspeise halten wir bei dieser Portionsgröße für verfehlt. Der Begriff Tapa i.S. von Appetithäppchen wäre angemessener. Lachsforelle und Möhren sind in Streifen angerichtet. Qualität, Konsistenz und Würze der Produkte sind tadellos. Ob das süßliche Chutney, auf dem die Vorspeise ruht, in der Küche entstanden ist, können wir nicht burteilen. Es schmeckt eher wie ein Convenience-Produkt.

Die ebenfalls bemerkenswert kleine Portion des Hauptgerichts, Saibling vom Holzkohlegrill x Salsa Romesco x Pfirsich, wirkt am Tellerrand ein wenig verloren und weckt die Erwartung, dass Platz auf dem Teller für einen Hauptprotagonisten des Gerichtes reserviert bleibt, was aber nicht der Fall ist. Lediglich eine kleine Portion Fenchelsalat in einer separaten Schüssel begleitet das Hauptgericht. Am relativ belanglosen Salat gibt es außer seiner Belanglosigkeit nichts ausetzen. Die Qualität des Saiblings und dessen handwerkliche Zubereitung sind hervorragend. Die pikant-süßliche Salsa Romesco weckt ebenfalls Verdacht auf Convenience. Marinierte Pfirsichwürfel verstärken den süßlichen Charakter des Gerichtes, für den wir uns nicht begeistern können. Auf der Saiblingschnitte hübsch angerichtete Lauchringe und Fischeier sind geschmacklich nicht präsent und darum nur Verzierung. Als Vorspeise wäre die Größe der Portion o.k.. Als Hauptgericht im Rahmen eines 3- bis 4-gängigen Menüs empfinden wir die Portionsgröße als grenzwertig.


Desserts
Dessert: Blu di grotta, Walnuss, Marille Espresso der Kaffeerösterei Kuntrawant in Prad Dessert: Jasmintee, Kürbiskerne, Salz-Rahm-Eis

Unsere Desserts sind bezeichnet als Jasmintee x Kürbiskerne x Salz-Rahm-Eis (links) sowie Blu di grotta x Walnuss x Marille (Mitte). Das süß-salzige Eis-Dessert ist originell komponiert und überzeugt auch geschmacklich. Das Käsedessert fällt weniger überzeugend aus. Der Blauschimmelkäse hat zwar mit eingearbeiteter Panna und Marille eine schöne cremige Konsistenz, aber der strenge Geschmack des Käses bleibt ungebändigt und macht vermutlich nur Hardcore-Blauschimmel-Fans glücklich. An Portionsgrößen haben wir nichts auszusetzen. Der großzügig aufs Haus servierte Espresso der prader Kaffeerösterei Kuntrawant, die in Prad eine nette Caffebar betreibt, findet unsere volle Zustimmung.


Fazit
Dinner-Rechnung Flurin Eine Gesamtbewertung mit Augenmaß sollte die Kirche im Dorf lassen. Wir sprechen nicht über ein bewährtes Sternerestaurant, wie z.B. Kuppelrain in Kastelbell (Fotoserie 5.07.2019) sondern von einem erst kürzlich eröffneten Restaurant, dessen Konzept und dessen engagiertes junges Team frischen Wind durch das überwiegend konservative südtiroler Publikum und dessen Traditions-Gastronomie bläst. Von unserem ersten Besuch nehmen wir folgende Eindrücke von Licht und Schatten mit:
  • Die handwerklich versierte Küche ist kreativ und mutig. Aromatik und Feinabstimmung der Gerichte zeigen ausbaufähiges Potential. Das Brotangebot wird dem Anspruch des Restaurants nicht gerecht.
  • Die jungen Servicekräfte agieren kompetent, freundlich und den Kunden zugewandt, mitunter aber auch ein wenig hemdsärmelig, jedoch nie distanzlos. 
  • Die Beurteilung von Einrichtungen beruht auf geschmacklichen Einstellungen, über die man bekanntlich schlecht streiten kann. Uns gefallen Einrichtungsstil und Ausstattung. Weniger gefällt uns das Keramikgeschirr, auf dem alle Gerichte serviert wurden, weil Messer und Gabel auf dem Geschirr kratzende und quietschende Geräusche erzeugen, die wir als unangenehm empfinden. Gar nicht gefällt das für uns nicht akzeptable Musikprogramm.
  • In Anbetracht der Portionsgrößen sind Preise der Gerichte längst nicht so günstig kalkuliert, wie es zunächst den Anschein hatte. Bezogen auf die Portionen mögen die Preise stimmig sein. Wir würden etwas höhere Preise mit großzügiger dimensionierten Portionen als stimmiger empfinden.
Hinsichtlich der Frage, ob wir Besuche wiederholen werden, möchten wir uns nicht festlegen. Aktuell vermittelt der Goldene Adler in Schleis bei vergleichbaren Preisen größeres Küchenglück für unseren Anspruch, weshalb wir den Goldenen Adler vorziehen. Das Flurin halten wir unter Beobachtung und kehren zurück, wenn gute Gründe für einen Besuch sprechen.

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