Montag, 11. Juli 2011

Chick Corea's 'Return To Forever' im Konzert von Duisburg - Was besagt schon das Alter?'


Chick Coreas Return To Forever zeigt sich bei ihrem Konzert in der voll besetzten Duisburger Mercatorhalle in prächtiger Spiellaune und schenkt dem Publikum einen großartigen Abend (was nicht "kostenlos" heißen soll, immerhin haben wir 70 € für eine Karte gezahlt und nehmen eine Anreise von Köln in Kauf). Obwohl der noch jugendlich wirkende Meister im Juni sein 70. Lebensjahr vollendet hat und das Durchschnittsalter der Kombo fast 63 Jahre beträgt, spielt die Band phasenweise wie entfesselt, wobei die Mitglieder ihre individuelle Virtuosität in den Dienst ihres musikalischen Gesamtkunstwerks stellen.

Das Publikum dürfte im Schnitt kaum jünger sein und bevorzugt vermutlich sonst eher leisere Töne in ruhigeren Gangarten. Etliche Besucher beklagen sich dann auch während der Pause über die Lautstärke. Nach der Pause sitzen sie aber wieder alle auf ihren Plätzen, und zum Ende des Konzerts lässt sich das Publikum vom großen Meister zum launigen Mitsingen im großen Chor animieren. Das mehr als zweistündige Konzert endet mit Jubel, standing ovation und Freude auf beiden Seiten. "Young forever" könnte der Titel des Konzerts sein, wobei Lenny White in einer Moderation feststellt: "We are not an american boy group, we are a californian man group." Der Franzose Jean-Luc Ponty ist in der Tat eingebürgert und hat seinen Wohnsitz in Los Angeles.

Das Set vor der Pause ist überwiegend fusion-typischen elektronischen Stücken gewidmet und greift vor allem Titel des aktuellen Albums "Forever" auf, die von der Band eher routiniert als inspiriert dargeboten werden.








Höhepunkt des 1. Sets ist der von Jean-Luc Ponty komponierte Titel "Renaissance". Stanley Clark greift zu seinem Kontrobass, um sich mit Ponty zu duellieren. Clark bearbeitet den Kontrabass beidhändig und beeindruckt dabei mit seiner unglaublichen Slaptechnik. Ponty hält dagegen und zusammen steigern sie sich in einen begeisternden Furor. Da wird es selbst Chick Corea in seinem Sakko bald zu warm und legt es ab. Ponty spielt im Pullover weiter.




Das Publikum zeigt an diesem Abend erstmals echte Begeisterung. Stanley Clark und Jean-Luc Ponty klatschen sich ab wie zwei Sportler, die gerade einen entscheidenden Treffer erzielt haben. Dann entlässt die Band das Publikum in die Pause.






Das Set nach der Pause entfernt sich zumindest ein Stück vom Fusion und lässt Raum für Improvisationen und Soli über Kompositionen von Lenny White und Stanley Clarke (After The Cosmic Rain). Clarke zaubert auf dem Bass und Frank Gambale beeindruckt in Soli mit seiner stupenden Sweeping-Technik, mit der er in der Fachwelt über einen herausragenden Namen verfügt. Jean-Luc Ponty spielt sich immer stärker in den Vordergrund.




Der Einsatz elektronischer und akustischer Instrumente verteilt sich gleichberechtigt. Jean-Luc Ponty bemüht sich zu einer Ansage in deutscher Sprache. Diese Geste ist für Franzosen ungewöhnlich und fällt Ponty sprachlich erkennbar schwer, was darum umso höher zu bewerten ist. Schließlich kündigt er dann aber doch "Romantic Warrior", eine Corea-Komposition, auf englisch an.






Als Magier hebt sich Chick Corea seinen besten Zauber für das Ende auf. Begleitet von Frank Gambales akustischer Gitarre beginnt Chick Corea auf seinem E-Piano mit einer zarten Melodie, die das Hauptmotiv des "Concierto de Aranjuez" aufgreift und dieses Stück einleitet. Chick Corea huldigt implizit seinem Guru Miles Davis, der diesem Werk des spanischen Komponisten Joaquín Rodrigo mit seinen Aufnahmen der "Sketches of Spain" 1959/60 ein Denkmal gesetzt hat. Gegen Ende des Stücks nimmt sich die Band zurück, und Chick Corea fordert das Publikum zu einem Wechselgesang mit seinem E-Piano auf. Das Publikum steigt offensichtlich gerne darauf ein und wird in seiner Rolle zunehmend überzeugender.





Das Konzert ist leider beendet. Das Publikum rast und dankt mit Standing Ovation. Die Protagonisten auf der Bühne freuen sich sichtlich über ihren Erfolg und beglückwünschen sich gegenseitig. Auch wir freuen uns über dieses denkwürdige Konzerterlebnis, dessen Besuch uns an einem Montag mit der Anreise aus Köln nicht leicht fällt. Glücklicherweise konnten wir heute über unseren Schatten springen.
Konzertbesprechung von Wolfgang Sandner in der FAZ: Verführe uns nicht zu Disco







Nachbemerkungen zur Location
Wir kennen noch die alte Mercatorhalle, die urspünglich an gleicher Stelle stand, und waren gespannt auf die neuen Eindrücke. Die neue Mercatorhalle ist in das sog. "CityPalais" integriert, das neben einer Shopping Mall und diversen gastronomischen Einrichtungen ein Kongresscenter und ein Casino beherbergt. Die Architektur ist modern und gefällig und trägt damit zu einer Aufwertung der Duisburger Innenstadt bei.
Der Außenbereich der Konzerthalle ist einladend gestaltet, zeigt aber bei genauerer Betrachtung auch Mängel: Es ist nur eine Toilettenanlage vorhanden, die bei voller Auslastung der Halle unterdimensioniert ist und darum längere Wartezeiten erzwingt. Getränke werden nur an 2 Theken angeboten, woraus sich ebenfalls Engpässe ergeben.
Der Bodenbelag der Halle ist der Beanspruchung nicht gewachsen und zeigt sich bereits jetzt schon ziemlich ramponiert. Im Innenbereich der Konzerhalle gefallen die Akustik und das gute Klima. Mängel sind jedoch auch hier vorhanden: Die Bestuhlung ist unbequem. Die Sicht auf die Bühne ist von hinteren Reihen nicht besonders gut, weil das Hallenniveau nur mäßig ansteigt. Die Nummerierung von Reihen und Plätzen ist eher undeutlich und lässt viele Leute durch den Raum irren.

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