Militärhistorisches Museum Dresden |
Anstatt kurzweilig zu unterhalten, provoziert das Ausstellungskonzept kritische Fragen. Es konfrontiert Besucher mit einer Perspektive, gemäß der Wahnsinn und Monstrosität militärischer Gewalt keine individuellen Fehlleistungen verirrter Geister darstellen, sondern als genuine Ausprägung von Kultur unserer alltäglichen Lebenswelt zu verstehen sind. Mit der Isolierung und Individualisierung von Phänomen des Krieges oder der kollektiven Gewalt, wie sie üblicherweise stattfindet, werden nicht nur sozialstrukturelle Zusammenhänge verborgen und Betroffene in die Irre geführt, sondern auch Machtstrukturen legitimiert und stabilisiert. Das Museumskonzept vermittelt und belegt diese Zusammenhänge, ohne mit der pädagogischen Peitsche zu knallen. Die Umsetzung des Konzeptes gelingt beispiellos großartig! Diashow der Fotoserie
Die Architektur stellt bereits klar, dass der Ansatz des Museumskonzeptes gewohnte Sichtweisen durchbricht und Provokationen nicht scheut. Eine Polarisierung von Besuchern oder Interessenten ist unvermeidbar und wird offensichtlich billigend in Kauf genommen. Den Körper des ehemaligen Arsenalgebäudes der sächsischen Armee durchtrennt ein gewaltiger pfeilfömiger Keil wie ein Schlachterbeil. Daniel Libeskind, u.a. verantwortlicher Architekt des Jüdischen Museums Berlin, hat diese Metapher nicht als Gag entworfen. Im Zeitraum 12.-15. Februar 1945 reichten 4 Angriffswellen der Bombardierung Dresdens aus, um ca. 25.000 Menschen zu töten und Dresden in Schutt und Asche zu legen. Die Bomber flogen in keilförmigen Formationen. Der Anblick des Keils in der Wunde des Gebäudes soll schmerzen. Das tut er. (Leitgedanken des Museumskonzeptes und der Architektur des Dresdner Museums erläutert ein bebildeter Beitrag im Portal TourDresden.)
'Napoleon-Schlitten' |
'Napoleon-Schlitten' im Foyer |
Nicht glücklich stimmt uns das einladend wirkende Museums-Restaurant 'zeitlos', das nicht nur Museumsbesuchern offen steht. Die überschaubare Zahl an Esstischen ist trotz der wenigen Museumsbesucher entweder besetzt oder reserviert. Freie Plätze im Lounge-Bereich an Sitzgruppen mit niedrigen Tischen sind zum Essen nicht geeignet. Der Restaurantbesuch fällt daher für uns aus. Schade!
Die ständige Ausstellung
Gliederung des Themenparcours |
Blick aus dem Aufzug in den Schacht |
Nahtstelle der Keilarchitektur |
Gehwegplatten im Obergeschoss |
Steg zur Keilspitze |
Modell des Eisenbahngeschützes Dora |
Projektil und Kartusche |
Sonderaustellung (31. Mai - 12. November 2013): 1636 - Ihre letzte Schlacht
Bauarbeiter entdecken in der Nähe von Wittstock (Brandenburg) ein Massengrab. Untersuchungen ergeben, dass die ca. 125 Leichen Opfer der Schlacht bei Wittstock im Dreißigjährigen Krieg sind. Eine zahlenmäßig unterlegene schwedisch-schottische Einheit schlug am 4. Oktober 1636 das kaiserlich-kursächsische Heer. Die Sonderausstellung präsentiert einige Fundstücke von Grabungen. Vor allem zeigt sie aber aus der Sicht von unten einerseits Aspekte von Lebensbedingungen der aktiv Beteiligten, also der einfachen Soldaten inkl. ihrer Angehörigen und Begleiter, sowie andererseits der passiv betroffenen Landbevölkerung und Stadtbewohner.
Die Ausstellung vermittelt Elend, Brutaltiät und Inhumanität des Machtkampfes einer sozialen Elite, die Millionen Menschen auf die Schlachtbank führt und Europa verwüstet.
Sonderaustellung (6. September 2013 - 16. Februar 2014): Blutige Romantik - 200 Jahre Befreiungskriege
Vor 200 Jahren begann die Befreiung von napoleonischer Herrschaft. Die napoleonischen Befreiungskriege legten im Zeitraum 1813-1815 mit einer Serie militärischer Schlachten eine unglaubliche Blutspur durch Europa. Seinen Höhepunkt bzw. Tiefpunkt erreichte das Gemetzel in der Völkerschlacht bei Leipzig, in der 600.000 Soldaten aus 12 Völkern über 3 Tage (16.-18. Oktober 1813) aufeinandergehetzt wurden und sich gegenseitig umzubringen versuchten. Allein etwa 90.000 - 120.000 Soldaten verloren in oder durch diese viertägige Schlacht ihr Leben. Über Opfer der zivilen Bevölkerung existieren keine Zahlen. Diese Opfer waren nicht wohl weniger wichtig. Nie zuvor starben so viele Menschen in so kurzer Zeit während eines Krieges.
In den napoleonischen Befreiungskriegen entwickelte sich so etwas wie 'deutscher Patriotismus'. Künstler, Schriftsteller und Philosophen der Romantik beschwörten eine Erhebung deutscher Kultur gegen französische Vorherrschaft. In der rückwärtigen Betrachtung wird die Wiege des deutschen Nationalismus verortet.
Die aktuelle Sonderausstellung Blutige Romantik - 200 Jahre Befreiungskriege stellt kritische Nachfragen. Einfache Kausalketten, mögen sie auch noch so plausibel oder elegant erscheinen, vermögen die Komplexität von Makroprozessen nicht zu erklären. Die romantische Verklärung übersieht, dass politisches Handeln primär der Ausdehnung oder Absicherung von politischer Macht dient, das war in der Vergangenheit nicht anders als in der Gegenwart. Gerade anhand der napoleonische Befreiungskriege lässt sich zeigen, dass taktisches Verhalten keiner politischen Strategie folgt, sondern sich an Opportunitätsaspekten eigener Machtinteressen ausgerichtet. Erst der Erfolg verklärt im Nachhinein das politische Handeln zu politischer Strategie. Dabei verliert die Denkweise in großen Zusammenhängen menschliches Leben und Leiden aus dem Blick. In den Genuss von Freiheit inkl. aller mit ihr verbundenen Vor- und Nachteile kommen nur die Überlebenden. Der Nährboden von Freiheit ist blutgetränkt. Auch daran erinnert die Ausstellung.
Anmerkungen
(*) Differenzierungen und Klassifizierungen sind immer dann sinnvoll, wenn komplexe Themenfelder analysiert werden. Allerdings folgen Kathegorien keinen natürlichen Ordnungen, sondern sie sind willkürlich gewählt und daher immer auch angreifbar. Gründe für Einwände oder Vorbehalte erkennen wir nicht.
(**) Wegen der besonderen Verdienste Gustav Krupps (Hitlers Waffenschmied) erließ Hitler im November 1943 die 'Lex Krupp', durch die Krupp 400 Millionen Reichsmark an Erbschaftssteuer erspart blieben. Aufgrund dieser Regelung konnte Alfred Krupp von Bohlen und Halbach nach dem Krieg das gesamte Konzernvermögen als Famlienunternehmen übernehmen, obwohl er 1948 in einem Nachfolgeprozess der Nürnberger Prozesse (an Stelle seines Vaters) wegen des Einsatzes von ca. 25.000 Zwangsarbeitern und der Plünderung von Wirtschaftsgütern im besetzten Ausland zu 12 Jahren Haft verurteilt wurde und das Familienvermögen zunächst eingezogen wurde. Alfred Krupp wurde am 31.01.1951 begnadigt und übernahm im März 1953 die Leitung des Unternehmens.
Another interesting place to visit.
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