Samstag, 9. November 2013

Das Wayne Shorter Quartett präsentiert sich in der Kölner Philharmonie in Bestform

Wayne Shorter Quartett in der Philharmonie Köln
Am 9.11.2013 ergreifen wir die Chance, Wayne Shorter mit seinem aktuellen Quartett in der Kölner Philharmonie Live zu erleben. Möglicherweise ist das unsere letzte Chance, denn im August 2013 vollendete Wayne Shorter seinen 80. Geburtstag. Die Frage, mit welcher Form Wayne Shorter nach einer außergewöhnlich langen und erfolgreichen Karriere in seinem Alter auftreten wird, ist bereits mit Beginn des Konzerts geklärt.
'Wayne Shorter wants people to wake up and dream", überschreibt Susan Whitall einen Artikel der 'The Detroit News' vom 30.10.2013. Einen magischen Auftritt schenkt dieses Ausnahmequartett auch heute seinem Publikum. Das Konzert ist eines jener unvergesslich-großartigen Ereignisse, deren Intensität den Prozess des Vergessens ausschaltet. Diashow der Fotoserie



Das Wayne Shorter Quartett betritt die Bühne
Mit 10 Minuten Verspätung betreten die Musiker den Konzertsaal. Wayne Shorter schreitet voran. Er wirkt schwerfällig und ein wenig unsicher auf den Beinen. Während des Konzertes gönnt er sich Pausen und nimmt immer wieder Platz auf einem bereitstehenden Stuhl. John Patitucci (Bass), Danilo Pérez (Klavier) und Brian Blade (Schlagzeug) folgen Wayne Shorter auf die Bühne. Sie komplettieren das Quartett nicht als unterwürfige Begleiter eines Meisters, sondern als ebenbürtige Partner, von denen jeder in seinem Fach über herausragende Qualitäten verfügt und auf internationale Erfolge als Musiker, Bandleader, Komponist und Lehrer verweisen kann.





Während des Konzertes werden weder die Musiker vorgestellt noch Stücke angesagt. Die Band konzentriert sich auf ihre Kernkompetenz, Musik, und legt sofort los. Mit dem ersten Stück sind alle Befürchtungen hinsichtlich Wayne Shorters musikalischer Verfassung vergessen. Über ca. 25 Minuten entfaltet das Quartett einen musikalischen Kosmos, der zwar im Jazz wurzelt, aber eine völlig eigenständige musikalische Sprache entfaltet. Erinnerungen an Weather Report werden wach, eine 1970 von Wayne Shorter und Joe Zawinul im Umfeld von Miles Davis formierte Fusion-Band, die in den 70er und 80er Jahren das musikalische Spektrum seriöser Jazz- und Rock-Musik verschob und bis heute Einfluss auf die Musikszene ausübt.

Das aktuelle Quartett gibt mit seinem ersten Stück über 25 Minuten ein eindrucksvolles Statement über einen 'Wetterbericht' ab, der gegen das übliche Thema-Solo-Thema-Schema agiert. Ohne identifizierbare Themen oder rhythmische Metriken fließt die Musik durch einen komplexen Raum, der vordergründig transparent wirkt, aber in seiner Weite und Tiefe unüberschaubar bleibt und sich ständig auf nicht vorhersehbar Art und Weise verändert. 'Romantische' oder 'lyrische' Passagen wechseln mit eruptiven Clustern und Kaskaden, vergleichbar Wasserfällen, deren Gefälle den gleichförmigen Strom eines Flusses variiert, ohne ihn dominieren zu können. Die Einordnung dieser Musik unter 'Jazz' ist willkürlich und keineswegs zwingend. Die dargebotene Musik sperrt sich gegen jegliche Kategorisierung. Ein diffuses Gefühl lässt ahnen, dass der Strom dieser Musik Metaphern für das Leben vermittelt.




Den Vortrag als 'verkopft' zu werten, weil er nicht zum Mitklatschen oder Füßewippen animiert, wäre ein grobes Mißverständnis. Die Musik zielt in ein musikalisches Herz, das den Kopf nicht ausschaltet. Sie verlangt jedoch ein großes Herz und einen aufnahmebereiten Kopf. 'Das kompromisslose Zeug erfordert eine Menge Arbeit vom Hörer' ("This is uncompromising stuff that requires a lot of work from the listener."), kommentiert 'The Guardian'  ein Konzert des vorigen Jahres in Birmingham. Diese Art von Arbeit leisten wir gerne, weil sie großes Vergnügen bedeutet.


Wayne Shorter Quartett in der Kölner Philharmonie
Glücklicherweise ist das Konzert nach 25 Minuten nicht beendet, obwohl die wesentlichen Statements bereits abgegeben sind. Mit der Begeisterung des Publikums steigert sich der Vortrag der Musiker zum gemeinsamen Vergnügen eines herausragenden Ereignisses. Zum allgemeinen Bedauern endet der offizielle Teil der Veranstaltung nach ca. 1:20 Stunden Spielzeit. Frenetischer Applaus des Publikums motiviert eine Zugabe (dokumentiert vom nachfolgenden Video), ehe das Quartett der vier Meister den Raum eines großartigen Abends verlässt. Der nun wieder gebrechlich wirkende Großmeister weist den Weg und geht voraus.  
Wayne Shorters eigene Webseite vermittelt einen Eindruck der kosmologischen Denkweise des Künstlers, die im Buddhismus wurzelt.




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