Donnerstag, 5. Dezember 2013

König, Kaiser, Bettelmann? - 'Not Yet Titled' - Ausstellung im Kölner Museum Ludwig 2.0 (11.10.2013 - 26.01.2014)

Barbara Kruger, Untitled, 1994/1995
Im Jahr 2000 übernahm Kasper König das damals leicht 'verschnarchte' Kölner Museum Ludwig als Direktor mit dem Willen, "(...) das Museum Ludwig wieder zu einem Ort der Kunst von internationalem Rang zu machen" (Swantje Karich). Bei seinem Abgang hinterlässt Kasper König im Oktober 2012 ein Museum von Weltrang, bestätigt Swantje Karich in der FAZ vom 3.11.2012: Aber einmal noch ein König
Auf den König folgt als neuer Direktor ein Kaiser, nämlich der zu diesem Zeitpunkt vierzigjährige Philip Kaiser mit einem Siebenjahresvertrag und einer Option auf eine dreijährige Verlängerung. Philip Kaiser geht aus der Kunstwelt ein herausragender Ruf voraus. Wir dürfen uns auf den Wechsel freuen und erwarten neue Perspektiven.
Am 4. Dezember 2013 zündet der neue Direktor eine Bombe: Er wird seinen Vertrag nicht erfüllen, sondern nach eigenen Angaben 'aufgrund privater familiärer Gründe' im Februar 2014 auflösen. Dass in dem verbleibenden Zeitraum eine adäquate Neubesetzung der Rolle gelingen wird, dürfte eher unwahrscheinlich sein.
Philip Kaiser war nicht untätig. Nach Inspizierung der reichen Sammlung krempelt er die Ausstellung über mehrere Monate um und präsentiert am 10.10.2013 seine Neuordnung der Sammlung sowie eine aktuelle Sonderausstellung mit dem Titel 'Not Yet Titled'.
Die FAZ kommentiert das Ereignis unter der Überschrift: Wo jetzt die neuen wilden Kerle wohnen
Der aktuelle Post vermittelt ein eigenes Bild unseres Besuchs vom 05.12.2013. Diashow der Fotoserie   


Alles in Ordnung, Thomas Schütte
Die Räume des Museums Ludwig sind uns vertraut. Die Präsentation zeigt dagegen ein neues, entschlacktes, sympathisch-frisches Bild. Gemäß dem Prinzip 'weniger ist mehr' sind Bilder und Objekte deutlich lockerer in den Räumen verteilt als in der Vergangenheit. Fotos, Filme und Videos rücken gleichberechtigt neben Bildern und Skulpturen in vordere Reihen. Zwangsläufig sind einige 'alte Bekannte' vorerst im Depot gelandet, darunter auch Ikonen der Sammlung, wie z.B. "Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen" (Max Ernst, 1926), Dalís "Der Bahnhof von Perpignon" (1965), "Doppelaggregat" von Joseph Beuys oder Francis Bacons 1971 gemalte 2nd Version seines "Paintings" (1946). Arbeiten vermeintlicher 'Schwergewichte' deutscher Nachkriegskunst, wie Baselitz, Kiefer, Penck, Lüpertz, Immendorf, sind ebenfalls vorerst in das Depot verbannt. Christiane Hoffmans berichtet über die Neuausrichtung in einem Artikel der 'Welt' : Eine spektakuläre Sicht auf die Welt 


The Portable War Memorial, Edward Kienholz
Entsprechend eigener Vorlieben vermissen wir etliche Arbeiten nicht wirklich und bedauern andererseits, dass einige 'persönliche Darlings' aus 'Expressionismus', 'Neuer Sachlichkeit', 'Konstruktivismus', 'Bauhaus', 'Abstrakter Expressionismus' und 'Tachismus' aktuell nicht ausgestellt sind. Die 'entschlackte' Umgebung entschädigt mit gesteigerter Ausdruckskraft der Exponate. Extrem gewonnen hat u.a. "The Portable War Memorial" von Edward Kienholz (1968) in einem eigenen Raum.
Das Konzept vermag zu gefallen, obwohl Kriterien der Auswahl von Arbeiten für uns nicht nachvollziehbar sind. Möglicherweise erprobt Philip Kaiser ein 'Museum 2.0', das nicht länger Heiligtum der Musen sein möchte, sondern Bühne eines kontinuierlichen, offenen Prozesses von Deutungen eines komplexen Weltgeschehens, dessen Netz von Makrostrukturen prinzipiell unverstanden bleibt und sich jeder Beschreibung verweigert ("Not Yet Titled"), aber immer wieder neue Deutungsversuche provoziert.


Ohne Titel (Vögel und Panzer), Martin Kippenberger, 1991
Arbeiten von Picasso sind in zwei Räumen exzellent präsentiert und konfrontieren Keramiken Picassos mit Louise Lawlers Fotos „Woman with Picasso“. Genial! Arbeiten von George Braque, die bisher neben Picassogemälden unvermeidbar waren, sind endlich verschwunden. Danke!
Martin Kippenberger, dessen Arbeiten wir seit dem Besuch einer Sonderausstellung im Hamburger Bahnhof (Berlin) schätzen, ist endlich auf Augenhöhe mit Picasso angekommen. Kippenbergers und Picassos Arbeiten sind in jeweils eigenen Räumen ausgestellt. (Post der Kippenberger-Ausstellung vom 26.02.2013)






Ohne Titel, Barbara Kruger, 1994/1995
Die Sonderausstellung 'Not Yet Titled' versteckt sich eher, als dass sie sich aufdrängen würde. Arbeiten der Sonderausstellung konzentrieren sich nicht auf wenige Räume, sondern sind über alle drei Etagen des Museums verteilt und teilweise mit Exponaten des Präsenzbestandes vermischt.
Höhepunkt unseres Besuches ist eine Installation 'Ohne Titel' der amerikanischen Konzeptkünstlerin Barbara Kruger in einem eigenen Saal. Mit der 1994/1995 entstanden Arbeit bekennt sich Kruger zu einer kritischen Sicht auf Gebrauch und Missbrauch von Macht in Politik, Werbung und Medienindustrie. Die Aktualität der Problematik ist in der Zwischenzeit nicht verblasst. Sie hat eher zugenommen. Vollständig wird Krugers Arbeit erst als audio-visuelle Präsentation. Das eingebundene Video vermittelt einen Eindruck des Konzeptes dieser Installation, die auf Relevanz nicht verzichtet und darum nicht unpolitisch sein kann.



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