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Grundriss und Luftaufnahme Schloss Sigmundskron |
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Inukshuk im Hof von Schloss Sigmundskron |
Reinhold Messner ist eine ebenso streitbare wie
umstrittene Person mit ausgeprägtem Drang zur Selbstinszenierung, die in den
Messner Mountain Museen
einen Höhepunkt findet. Wir zählen nicht zu seinen Fans und empfinden
manche seiner Auftritte als peinlich, weshalb wir seine Museen bisher
gemieden haben. Unser Besuch des
MMM Firmian auf
Schloss Sigmundskron am südlichen Rand von
Bozen ergänzt das Paradox von Regel und Ausnahme um ein weiteres Beispiel.
MMM Firmian betrachtet
Reinhold Messner als
"Herzstück" seiner insgesamt 6
Messner Mountain Museen. Laut Webseite thematisiert das Museum
"die
Auseinandersetzung Mensch-Berg. (...) Die
Wege, Treppen, Türme führen die Besucher aus der Tiefe der Gebirge, wo
Entstehung und Ausbeutung der Berge nachvollziehbar werden, über die
religiöse Bedeutung der Gipfel als Orientierungshilfe und Brücke zum
Jenseits, bis zur Geschichte des Bergsteigens und zum alpinen Tourismus
unserer Tage."
Spannender als das Programm scheinen uns
Geologie der Region, Historie der Burganlage und das Konzept der
Restaurierung zu sein. Unsere Erwartungen werden angenehm entäuscht. Wir
treffen auf ein Gesamtkunstwerk mit Parallelen zu
Robert Walshs faszierendem
MONA auf
Tasmanien (
Post 1.01.2015). Besucher werden nicht 'umschleimt', sondern provoziert und angeregt. Aber im Unterschied zu
Robert Walsh belehrt
Reinhold Messner. Vermutlich wähnt er sich im Besitz vermeintlicher Wahrheiten und bietet als
Guru oder
Inukshuk
Orientierung an. Seine Beteuerung, dass Informationen unwichtig seien und es ihm nur um
das Erlebnis gehe, konterkariert er mit zahllosen über den Komplex
verbreiteten Sinnsprüchen und kurzen apodiktischen Statements.
Fotoserie 2015 -
Fotoserie 2016
Geologie der Umgebung von Schloss Sigmundskron
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Schloss Sigmundskron |
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Schloss Sigmundskron |
Schloss Sigmundskron liegt südlich von Bozen auf
einem 'Porphyrfelsen' des
Mitterbergs, aus dessen Material auch die Burg erbaut ist. Der
etwa 14 km lange Mitterberg verläuft als flacher Bergrücken vulkanischen Ursprungs in Nord-Süd-Richtung durch das Etschtal. Der geologische Aufbau des
Mitterbergs wird als
Bozner Quarzporphyr vom Typ
Rhyolit beschrieben. Die Geomorphologie von
Rhyolit variiert je nach Zusammensetzung und Einschlüssen ihre Farbe und bildet u.a. Gesteinsformen, die nach ihrem Erscheinungsbild fachlich unscharf als
Rotliegendes oder
Porphyr bezeichnet werden. Die Art und Weise, in der
rhyolithisches Magma erkaltet, läßt Fließtexturen oder regelmäßige Klüftungsmuster mit sechskantigen Säulen entstehen, wie wir sie an Schloss Sigmundskron antreffen.
Geschichte Schloss Sigmundskron
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Schloss Sigmundskron |
Auf Erhebungen des
Mitterbergs befinden sich Reste prähistorischer Wallanlagen und mehrere Burgruinen, u.a.
Schloss Sigmundskron. Archäologische Funde verweisen auf die prähistorische Besiedlung des
Mitterbergs. Bauarbeiten zur Burgrestaurierung entdeckten ein 6000-7000 Jahre altes
jungsteinzeitliches Grab. Die älteste historisch belegte
Erwähnung der Burg geht auf das Jahr 945 zurück. Besitzer der Burg
wechselten mehrfach, bevor der Tiroler Landesfürst, Herzog
Sigmund der Münzreiche,
1473 die Burg kaufte. Um die auf einem Felsen gelegene Burg ließ er eine
Festungsanlage errichten, so dass die Ruine in der Gegenwart aus einer
historisch älteren inneren Burg und einer äußeren Burg des 15. Jh.
besteht. Auf dem höchsten Punkt des Komplexes thront die Ruine der
'Burgkapelle
St. Blasius und
Ulrich von Augsburg'.
Sigmund der Münzreiche
pflegte einen ausschweifenden und zügellosen Lebensstil mit zahlreichen
Konflikten und Kriegen. Finanzielle Probleme ließen ihn
Schloss Sigmundskron
verpfänden. Die zunehmend verfallende Anlage wechselte erneut mehrmals
den Besitzer, bis sie 1996 in das Eigentum der Südtiroler
Landesverwaltung überging. Auf der Suche nach einem Nutzungskonzept
erwarb nach langen, kontroversen Diskussionen
Reinhold Messner 2003 eine Konzession für die Nutzung der Anlage als
MMM Firmian.
Architektur der Restaurierung von Schloss Sigmundskron (2)
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Oberburg Schloss Sigmundskron |
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Wehrgang auf der Mauer von Schloss Sigmundskron |
Der in
Latsch,
Vinschgau, beheimatete Stararchitekt
Werner Tscholl
übernahm die Bauleitung, nachdem er zuvor schon Kompetenz bei der
Restaurierung der Fürstenburg Burgeis bewiesen hat. Das Konzept zielt
darauf ab, historische Gemäuer zu erhalten und Umbauten so vorzunehmen,
dass sie wieder rückgängig gemacht werden
können. Glasdächer, Treppen, Rohre, Strom- und Wasserleitungen bleiben
von außen unsichtbar. Die aus Stahl, Glas und Eisen bestehende
Architektur verbirgt sich nicht, aber sie lässt dem alten Mauerwerk
Vortritt. Das Ergebnis fällt beindruckend aus.
Museumseindrücke im MMM Firmian - Schloss Sigmundskron (3)
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Portal Schloss Sigmundskron |
Die Anreise zum
MMM Firmian
führt über eine undurchsichtig verschlungene Route. Ein GPS ist
hilfreich. Vom Parkplatz (2 €) erreichen wir auf einem kurzen Wanderweg
in max. 10 Minuten die Kasse hinter dem Schlossportal. Der Eintrittpreis
beträgt 10 € (8 € ermäßigt). Wir verzichten auf einen Audioguide, für den 5 € verlangt werden.
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Hof, Burgmauer, Weißer Turm Schloss Sigmundskron |
Unser Besuch an einem Sonntag trifft nicht auf den befürchteten Massenansturm. Obwohl es auf der Webseite
bolzano.net heißt, das
MMM Firmian
sei ein autoritäres Museum, das vorschreibt, wie es besichtigt werden
möchte, fällt uns im großen Innenhof der Anlage die Orientierung
zunächst schwer. Der ausgehändigte Flyer bezeichnet 8 Stationen, von
denen 6 in Türmen der Anlage liegen. Die 8 Stationen bilden
Kristallisationspunkte von Themenfeldern, die Wechselwirkung aufzeigen wollen zwischen dem, 'was der Berg mit dem Menschen macht' und dem,
'was Menschen mit dem Berg machen'. Die Auseinandersetzung zwischen
Mensch und Berg ist vielfältig verwoben mit religiösen Motiven und
Symbolen, die Menschen an Befolgung von Geboten oder Verboten ermahnen
und das menschlich nicht Erklärbare als Ausprägungen einer
außermenschlichen Ordnung verständlich machen.
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Buddhafigur im Innenhof |
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Shiva-Figur in einer Fensternische |
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Alter nepalesischer Lingam im Innenhof |
Die
8 Stationen sind zwar durchnummeriert, aber Laufwege sind nicht
vorgegeben. Die Reihenfolge des Besuchs ist offensichtlich beliebig. Das
Konzept fordert Besucher zur eigenen Entdeckungsreise auf, die sich
nicht auf Stationen beschränkt, sondern ein Umherstreifen im Gelände der
Anlage erfordert. Die Sammlung umfasst ein buntes Sammelsurium von Objekten mit religiösen Motiven, Gemälde mit Bergmotiven, Kunstobjekten, Fossilien, Kristallen, Objekte und Dokumente aus der Geschichte des
Alpinismus. Größere Objekte der Sammlung verteilen sich im Raum
des gesamte Komplexes und lassen eine aus Architektur und Landschaft
abgeleitete Choreografie erkennen. In Mauernischen, Fenstern und
Schießscharten sind Götter oder Dämonen symbolisierende kleinere Figuren
platziert. Gemälde und alpinistische Reliquien sind verdichtet ausgestellt. Ausstellungsräume sind bestimmten Themen zugeordnet. Besonders beeindrucken uns die Räume 'Tanzplatz der Götter, 'Religionsstifter und ihre Schüler' und 'König Laurins Reich'.
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Sonderausstellung Gebirge im Krieg |
Der weiße Turm wird für Sonderausstellungen und für die Dauerausstellung 'Los von Trient' genutzt.
Schloss Sigmundskron ist ein
politisches Symbol Südtiroler Autonomie. Italienische Entnationalisierungspolitik setzte nach dem 2. Weltkrieg
Mussolinis Politik fort und provozierte die große Kundgebung 'Los
von Trient' 1957 als Auftakt zum oft auch militanten Kampf um einen auskömmlichen
Autonomiestatus, der schließlich erfolgreich durchgesetzt wurde.
Die Sonderausstellung 'Gebirge im Krieg' (15.03.2015 -
8.11.2015) thematisiert das bis heute in Südtirol heroisierte Leiden von Soldaten während des 1.
Weltkrieges im dreijährigen Stellungskampf in den
Dolomiten und in den
Ortler-Alpen. Dass dieses Menschenschlachthaus einer wahnsinnigen Habsburger
Machtpolitik erst eine weit verbreitete nationalistische Gesinnung von
Südtirolern ermöglichte und viele Südtiroler willig oder sogar begeistert in den Krieg zogen, bleibt in der Ausstellung ungesagt.(4)
Weitere Stationen thematisieren Facetten von Geschichte, Helden und Tragödien des
Alpinismus und Auswirkungen des
Alpinismus in Europa, Asien, Südamerika.
Reinhold Messners
eigene Expeditonen und Leistungen bleiben selbstverständlich nicht
ausgespart, aber sie stehen nicht im Vordergund. Sie sind als unverzichtbare Aspekte einer Gesamtschau ihrer Bedeutung entsprechend dargestellt.
Stationen zum
Alpinismus
sind für uns weniger spannend als Auseinandersetzungen mit Religionen
in Ausprägungen von animistischen Naturreligionen bis zum Christenturm.
Wenn die besondere Bedeutung von Bergen als 'heilige Orte' in allen
Religionen herausgestellt wird, sei die Frage gestattet, ob die
Bergmethaper möglicherweise nicht lediglich triviale Analogien
beschreibt, ohne besondere Erklärungskraft aufzuzeigen bzw. ohne
Bindeglieder zwischen Religionen zu markieren.(5)
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Aufgang zur Stupa in der Oberburg |
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Weißer Turm, Stupa, Burgkapelle in der Oberburg |
Reinhold Messner scheint jedoch anders zu denken, wenn er die Besichtigung von Resten der 'Burgkapelle
St. Blasius und
Ulrich von Augsburg' nicht zulässt, sondern Besuchern nur eine Umrundung gestattet, wie sie in Tibet um den
Heiligen Berg Kailash prakatiziert wird. Die Umrundung (tibetisch:
Kora oder
Sanskrit: Parikrama) des
Kailash auf einem ca. 53 km langen Weg gilt in zahlreichen Religionen als die wichtigste Pilgerreise.
Nach der 13. Umrundung des
Kailash erhält ein Pilger
Zutritt zur inneren
Kora. Buddhisten, die den
Kailash 108 x umrunden, erlangen nach
buddhistischer Lehre unmittelbare Erleuchtung.
Reinhold Messner schreibt keine Anzahl Museumsrunden vor, aber er wollte mit der tabuisierten Kapellenbesichtigung offensichtlich eine
Kora schaffen, die schließlich doch ein wenig autoritär und mit Hilfe des
Gurus zur Selbsterkenntnis von Besuchern führen soll.
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Einkehr im Burgrestaurant Schloss Sigmundskron |
Zum
Abschluss unseres spannenden Besuchs kehren wir im empfehlenswerten
Burgrestaurant ein und stellen bei unserer Nachbetrachtung offen gestanden fest, dass sich ein
persönlicher spiritueller Erkenntnisgewinn bei uns nicht eingestellt
hat. Ob die Aussage dauerhaft gilt, können wir bei einer vertiefenden Wiederholung unseres Besuchs im nächsten Jahr überprüfen. Das beeindruckende, mutige und beispiellose Gesamtkunstwerk des
MMM Firmian Schloss Sigmundskron verdient jedoch bereits jetzt ein tiefes, lang nachklingendes
Om.
Nachtrag 2016
Neu ist bei unserem Besuch ein Kino, das stündlich einen 50-minütigen Film über
Reinhold Messner und seine 6
Messner Mountain Museen zeigt
Thema der aktuellen Sonderausstellung (20.03.-30.11.2016) ist die 'Eiger Diretissima 1966', die Winterbesteigung der
Eiger Nordwand auf einer neuen direkten Route durch ein internationales Team. Messner nutzt die Ausstellung, um einen alten Konflikt um
Toni Hiebeler aufzuwärmen, der für sich und sein Team die erste Winterbesteigung der
Eiger Nordwand in Anspruch nimmt und dabei unterschlug, dass die Wand in 2 Etappen bezwungen wurde, zwischen denen mehrere Tage lagen.(6) Messner selbst ist in der Szene der Extrembergsteiger keineswegs unumstritten und reagiert dünnheutig auf Kritik.(7)
Anmerkungen
(1) Einen Einblick in das Konzept von Architektur und Museum erlaubt ein PDF-Artikel des Callwey-Verlages:
Messner Mountain Museen
(2) Über den Archtiekten Werner Tscholl:
(3) Artikel zur Museumseröffnung im Jahr 2006:
(4) Artikel zum Alpenkrieg:
(5)
Die Metapher vom Berg als Sitz von Göttern oder höheren Mächten ist in
vielen Religionen verankert, was aber eher auf religiöse Vorstellungen
einer dreigeteilten Kosmologie zurückzuführen sein dürfte, der gemäß
Menschen
auf der 'Mittelerde' leben, während Götter und Geister über ihnen
thronen und unter ihnen der Abgrund des Bösen liegt. Wenn
Menschen über Jahrtausende keine Veranlassung sahen, 'sinnlos' Gipfel zu
besteigen, werden sie vermutlich nicht vor vermeintlichen Göttersitzen
zurückgeschreckt sein, sondern schlicht keinen Grund für
Bergbesteigungen gehabt haben, zumal sie i.d.R. mit ihrer
Existenzsicherung vollständig ausgelastet waren und zweckfreie Mußezeit
kaum kannten. Ausnahmen wie der Dichter und Philosoph
Petrarca (1304-1377) bestätigen auch hier die Regel. Die von
Petrarca 1336 in einem Brief beschriebene
Besteigung des Mont Ventoux gilt als erste literarisch dokumentierte Gipfelbesteigung.
Petrarcas Besteigung des Mont Ventoux wird gerne als
Geburtsstunde des Alpinismus ausgegeben, was jedoch Unsinn ist, weil
Petrarca über lange Zeit eine Ausnahme blieb und erst die
Romantik Berge als Orte der Sehnsucht entdeckte.
Dass
Menschen 'sinnlos' Berge besteigen, ist eine Entwicklung der Neuzeit. Sportlicher
englischer Adel betrieb im 19. Jh. Bergbesteigung als Zeitvertreib, polierte mit seinen Erfolgen persönliches Ansehen und Ansehen der eigenen Nation und bewirkte als sozialer Trendsettter die Entwicklung von Bergbesteigung als eine bis heute ungebrochene Modeerscheinung. Um Zuammenhänge dieser Entwicklungen zu verstehen, bedarf es keines Rückgriffs auf metaphysisch geprägte Erklärungsmuster. Hilfreicher ist soziologisches Denken.
(6) Der Spiegel 18/1961:
Schmutziger Lorbeer
(7) Artikel zu Konflikten mit Reinhold Messner:
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