Sonntag, 11. September 2016

Audienz am Hof des Crimson Kings im Berliner Admiralspalast

Standing Ovation nach dem Konzert
Standing Ovations nach dem Konzert im Admiralspalast
In the Court of the Crimson King, Debütalbum der britischen Band King Crimson, markiert seit 1969 nicht nur eine Demarkationslinie, an der die Rockhistorie in ein Vorher und Nachher zerfällt, wie Jürgen Wunder im Tagesspiegel schreibt(1). Das Album spaltet die Gemeinde in Gläubige, Unwissende, Ablehnende und Feinde. Diese nicht tanzbare, Songstrukturen auflösende, traditionelle Regeln verletzende und über Grenzen zwischen U-Musik, E-Musik, elektronischer und akustischer Musik, Rock, Jazz, Minimial und Folklore hinwegsetztende Musik polarisiert zwangsläufig und passt in keine Schublade, weshalb die Umschreibung dieser Stilrichtung mit der Genre-Bezeichung Prog-Rock unsinnig ist.(2,3) Lichtgestalt dieser Musik ist seit 47 Jahren Robert Fripp, Mr. King Crimson. Für Studioarbeit und Konzerte schart Robert Fripp wechselnde Besetzungen aus dem kleinen Kreis der jeweils Besten ihrer Zunft um sich, die er als 'Inkarnationen' von King Crimson bezeichnet. Die inzwischen '8. Inkarnation'(4) konzertiert auf ihrer aktuellen Elements of King Crimson Europatour erstmals seit 13 Jahren wieder in Deutschland und gibt 2 Konzerte im Berliner Admiralspalast, ein willkommener Anlass eines Berlinbesuchs.
- Eigene Fotoserie: King Crimson im Admiralspalast Berlin - Fotoserie des Bassisten Tony Levin: King Crimson 2016 Tour Berlin Shows

Konzertsaal Admiralspalast
Admiralspalast vor dem Konzert
Das Konzert im Admiralspalast ist ausverkauft. Dank fester Bestuhlung mit nummerierten Plätzen gibt es kein Gedränge. Über die volle Breite des Bühnenraums sind in vorderster Front 3 Schlagzeuge aufgebaut. Die Posten der übrigen 4 Musiker befinden sich hinter den Schlagzeugen. Robert Fripp, der das Geschehen dominiert, hält sich im Hintergrund wie eine Randfigur auf.
5 Minuten nach der angekündigten Zeit (also mehr als pünktlich) betreten die Musiker die Bühne und legen sogleich fulminant los. Der Hauptanteil der Setlist (5) präsentiert Stücke von Alben bis Mitte der siebziger Jahre.(6) Stücke werden nicht angesagt und schließen zum großen Teil nahtlos aneinander an. Das altersmäßig über das Alter von 30 bis 70 Jahren gestreute Publikum erweist sich als fachkundig und begrüßt jedes neue Stück mit großer Zustimmung. Sound und Akustik bereiten ebenfalls Vergnügen. Nach fast 1:30 Std. ebenso druckvollem wie virtuosem Konzert ist das erste Set beendet. Ein weiteres Set folgt nach 20-minütiger Pause.

Foto von Tony Levin im Admiralspalast
Das zweite Set endet nach ca. 60 Minuten. Aber das ist noch nicht das Ende des Konzerts. Das begeisterte Publikum applaudiert stehend und drängt auf Zugaben. Die Musiker kehren für 3 weitere Stücke auf die Bühne zurück. Den Abschluss bildet 21st Century Schizoid Man, das Statement, mit dem King Crimson 1969 die Weltbühne betrat. Mit großer Spiellaune bietet das Septett eine mitreißende Version ohne Patina. Gavin Harrison, Drummer von Porcupine Tree, stellt mit einem ausgedehnten Schlagzeugsolo sein Können unter Beweis.





King-Crimson-Drummer (Foto Tony Levin)
Eine weitere Steigerung ist nicht denkbar. Das Konzert ist beendet. Nun sind auch Fotos erlaubt, die während des Konzerts ausdrücklich unerwünscht waren. Tony Levin nimmt ebenfalls einige Fotos in Richtung Publikum auf und veröffentlich sie in seinem Road Diary der King Crimson Tour 2016.
Nicht nur für uns endet ein großer Abend.(7) Allein dieses Konzert rechtfertigt unseren Berlin-Trip. Erfreulicherweise schmücken unseren Trip einige weitere Highlights, über die wir an anderer Stelle berichten (Berlin-Post 13.09.2016).





Anmerkungen
  1. Die komplizierten Liebesgesänge der Sternentierchen
  2. Porträts King Crimson:
    Discipline Global Mobil (Musiklabel von Robert Fripp): DGM Live!
    Wikipedia: King Crimson
    laut.de: King Crimson
    BabyBlaue Seiten: King Crimson
    Rolling Stone: King Crimson
  3. Im Artikel Ein ziemlich freier Mensch der FAZ vom 16.05.2016 zum 70. Geburtstag von Robert Fripp merkt Jürgen Kaube an: "Irgendein Blödmann hat das dann „Progressive Rock“ genannt, wobei aber nicht unbeobachtet blieb, dass der progressive Rock genau eines nicht tat: fortzuschreiten. Er änderte sich nur dauernd."
  4. Besetzung in den Berliner Konzerten:
    Robert Fripp, Gitarre, Tasteninstrumente, Computer
    Gavin Harrison, Schlagzeug
    Pat Masteletto, Schlagzeug 
    Jeremy Stacey, Schlagzeug
    Mel Collins, Flöte, Saxophon
    Tony Levin, Bass, Gesang, Fotos
    Jakko Jakszyk, Gitarre, Gesang
  5. Setlist des Konzerts vom 11.09.2016
  6. Mitte der siebziger Jahre war das musikalische Konzept von King Crimson ausformuliert und ausgereift. Relevante neue Ideen präsentieren nachfolgende 'Inkarnation' nicht mehr. Sie beschränken sich aber auch nicht auf das 'Covern' der eigenen Historie, sondern sie erarbeiten verfeinerte Arrangements, die an Raffinesse, Komplexität und Virtuosität zunehmen. Die im heutigen Konzert vorgestellten Versionen beeindruckten mit Frische und Spannung. 
  7. Konzertbesprechungen:
    Udo Eberl, Südwest Presse, 10.09.2016: Gitarren-Genius Robert Fripp insziniert live in Stuttgart eine dreistündige Zeitreise
    Christian Schlüter, Berliner Zeitung 12.09.2016: King Crimson im Amiralspalast Berlin - Die Sachverwalter des schrägen Tons
    Michael Pilz, Die Welt 13.09.2016: Ist das, was King Crimson spielen, noch Musik?
    Jörg Wunder, Tagesspiegel 12.09.2016: Die komplizierten Liebesgesänge der Sternentierchen

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