Bei sommerlicher Temperatur gehen wir zu Fuß ca. eine Stunde von Berlin-Mitte durch nicht nur feine Viertel zum Restaurant Horváth in Berlin-Kreuzberg. Restaurantleiter und Sommelier Jakob Petritsch empfängt uns ausgesprochen sympathisch und überlässt uns die Auswahl des Tisches auf der Terrasse des Außenbereichs. Jakob Petritsch ist ebenso wie Sebastian Frank Österreicher, was Stil, Küche und Weine des Restaurants nachhaltig positiv prägt und auch sprachlich nicht verborgen bleibt.(4) Zur Begrüßung empfiehlt Jakob Petritsch einen Sekt vom Grünen Veltliner des Weinguts Josef Jamek aus der Wachau. Superb! Als Mineralwasser wird Vöslauer serviert.
Während wir in die Karte schauen, genießen wir neben exzellenter Butter und einem groben kalten Kartoffelpüree ein außergewöhnliches Brotsortiment: Dunkles Sauerteigbrot, gebackener salziger Kartoffelteig, Blunzen (Stückchen von Blutwurst) im Brotteig.
Angeboten wird ein 9-gängiges Menü, aus dem auch 7 oder 5 Gänge bzw. à-la-carte-Gerichte gewählt werden können. Wir entscheiden uns für ein 5-Gang-Menü mit Weinbegleitung und überlassen der Küche die Auswahl der Gerichte. Zu jedem Gang erhalten wir Kärtchen mit Beschreibung des Gerichts und des Weins.
Der Gruß aus der Küche beruht auf Radieschen, ein eher schlichtes, bodenständiges Produkt. Auf dem Teller erregt das Vorgericht kein großes Aufsehen. Erst im Mund zeigt sich die sensationelle geschmackliche Komplexität dieses mit Kürbiskernöl, Apfelmarmelade, Johannisbeerschnaps und getrockneten Pilzen unnachahmlich verfeinerten Gerichtes. Wir fragen uns, wie sich dieser Auftakt noch steigern lässt.
Die 1. Vorspeise des Menüs Zwiebel, Paradeiser (Tomate), Brot ließe sich als Salat-Tapa auf einer Brotscheibe umschreiben. Die unglaublich geschmackliche Intensität des Happens ist nicht abbildbar, aber die Liste der Komponenten des Gerichts deutet das Raffinement der Komposition und ihrer Zubereitung an.
Ein Grüner Veltliner Bürsting Reserve 2014 von Ebner-Ebenauer, Niederösterreich, begleitet das Gericht kongenial.
Die 2. Vorspeise Juviniles Ferkel, Ribisel (Johannisbeeren), Strudelteig wird als Mini-Kohlroulade gereicht, deren Feinheit und Komplexität sich jedoch um Welten von allen jemals gegessenen Kohlrouladen unterscheidet.
Der fruchtige Weißburgunder Pannobile 2013 von Beck, Burgenland, passt perfekt zu diesem Gericht.
Der Fischgang Forelle, Kalbsnieren -fett, Apfelblüte basiert auf Forelle. Forelle haben wir oft und in vielen Arten der Zubereitung gegessen. Diese Forelle weckt jedoch ein völlig neues Geschmackserlebnis und zeigt, wie ein eher triviales Produkt dank kunstfertiger Komposition und Zubereitung schmecken kann.
Ein großartiger, cremiger, reifer Sekt der Champagner-Klasse krönt das Gericht: Blanc de Blancs 2009 Trijumf von Aleksandrovic aus Sumadaija, Serbien.
Der Fleischgang Hirschkalb, Birne, Preiselbeere markiert den Zenit dieses fantastischen Menüs.
Der begleitende Wein ist erneut perfekt gewählt, ein im Barrique ausgebauter Blaufränkisch 2012 Kékfrankos von Wassermann, Villány, Ungarn.
Während nach dem vorausgegangen Höhepunkt die Spannungskurve des Menüs mit dem Dessert Germknödel, Heidelbeere, Sauerklee ein wenig abfällt, ist die Weinbegleitung ein Volltreffer. Jakob Petritsch verrät uns nicht, wie er die Late Harvest Cuvée 2104, Hárslevelü, Furmint Sauska, Tokaj, Ungarn, gefunden hat, die nicht einmal Google kennt.
Die obligatorischen Petit Fours interpretiert die Küche nicht klassisch, sondern sie beweist Mut und schickt eine Schweineblutpraline mit Nussbutter. Ein derartiges Petit Four polarisiert und verlangt auch vom Gast Mut. Das Petit Four wird als Ganzes inkl. Folie in den Mund genommen und schmeckt: Großartig!
Fazit
Ein großer Abend! Das Restaurant Horváth ist eine Reise wert. Das fantastische Menü, die großartigen Weine, das unprätentiöse Ambiente und der ebenso aufmerksam wie entspannt agierende Service schenken uns ein intensives Kulturerlebnis, an das wir uns lange erinnern werden.
Beindruckend ist die Eigenständigkeit dieser Küche, die sich nicht an mediterrane, französische oder asiatische Traditionen anlehnt und allenfalls österreichische Küchenkultur anklingen lässt. Zusätzlich beeindruckt uns der Sachverhalt, wie eher einfache Ausgangsprodukte auf Gemüsebasis dank großer handwerklicher Fähigkeiten zu hoch komplexer Küchenkunst veredelt werden, die uns völlig neuartige Geschmackserlebnisse vermittelt. Angenehm sind überschaubare Portionsgrößen, bei denen die Vorfreude auf den nachfolgenden Gang immer erhalten bleibt und nie ein Gefühl von Völle aufkommt. Die Weinauswahl macht mit spannenden Weinen aus Österreich und seinen Nachbarländern bekannt und bietet exzellente Weine weit abseits vom Mainstream. Die Taktfrequenz der Gangfolge gerät perfekt.
Anmerkungen
- Aktuell sind im Guide Michelin in Deutschland 10 Restaurants mit 3 Sternen sowie 39 Restaurants mit 2 Sternen bewertet.
Gault&Millau zeichnet in Deutschland 99 Restaurants mit 17 oder mehr Punkten aus (3 - 4 Kochhauben) und bewertet das Horváth mit 17 Punkten (3 Kochhauben). Die Einordnung des Restaurants als "gutbürgerlich" ist für uns unverständlich. Wenn Sebastian Frank Gerichte der bürgerlichen Küche aufgreift, interpretiert er sie vollständig neu und präsentiert Ergebnisse einer Küchen-Hochkultur, in der bürgerliche Küche nur noch als Zitat durchscheint.
In den Restaurant-Ranglisten (ein Portal mit einem Punktesystem, das die Bewertungen relevanter Restaurantführer in Relation zueinander setzt und über ihre Bewertungen einen Mittelwert bildet) liegt das Horváth auf Rang 73 in Deutschland. - Was es bedeutet, eine solche Veranstaltung zu organisieren, beschreibt Timo Steppat mit einem Blick hinter die Kulissen der FAZ-Gala 'Unsere Lieblinge 2015': Anrichten, auftischen, Dampf ablassen
- Besuchsberichte der Sternefresser im Restaurant Horváth:
2014: Auf zu neuen Ufern!
2015: Denken tut nicht weh - Vorstellung des Restaurants im Guide Michelin: Horváth: Magische Momente der österreichischen Küche
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