Donnerstag, 22. Februar 2018

Max Ernst Museum Brühl

Max Ernst Museum BrühlCorps enseignant pour une école de tueurs, 1967 Das Max Ernst Museum Brühl steht schon länger auf unserer To-do-Liste. Sonniges Winterwetter und die Option des freien Eintritts am jeweils letzten Donnerstag eines Monats motivieren uns heute zum Besuch.(1) Im Außenbereich des Museums treffen Besucher auf 3 Skulpturen mit der Bezeichnung 'Corps enseignant pour une école de tueurs' (Kollegium einer Schule für Totschläger) aus dem Jahr 1967. Ob der Name als Riposte gegen die Stadt Brühl zielt, mit der sich Max Ernst überwarf, oder einer seherischen Begabung des Künstlers entspringt, bleibt Spekulation.(2) Max Ernst ist zwar in der rheinischen Provinzstadt Brühl 1891 geboren und aufgewachsen, aber sein Künstlerleben verbrachte er ab 1922 im Ausland. Während der NS-Zeit emigrierte er 1941 mit Hilfe von Peggy Guggenheim aus Frankreich in die USA (wo die beiden heirateten), kehrte mit seiner vierten Ehefrau Dorothea Tanning 1953 nach Frankreich zurück und verstarb 1976 in Paris. Brühls provinzielle Kleinkariertheit bot seiner Bedeutung keine angemessene Bühne. Eine Ehrenbürgerschaft der Stadt anlässlich seines 75. Geburtstages lehnte Max Ernst 1966 ab.(3) 1971 gelang die Aussöhnung.(4) 2005 eröffnete das Max Ernst Museum, dem unsere Aufmerksamkeit heute gilt.- Fotogalerie


Max Ernst Museum BrühlDie von den Kölner Architekten Thomas van den Valentyn und Seyed Mohammad Oreyzi konzipierte Museums-Architektur beeindruckt positiv (Baugeschichte), aber der Komplex ist nicht frei von baulichen Problemen, berichten Medien anlässlich der Eröffnung 2005.(5,6)
Recherchen zur Geschichte des Museums offenbaren Besuchern verborgen bleibende, im Museum verbaute und bis heute nachwirkende Verwerfungen. Eine Mischung von politischer Eitelkeit mit fragwürdiger Kompetenz machte erst die Etablierung des Museums ohne Rücksicht auf bauliche Mängel der Gebäude und laufende Kosten des Betriebs möglich. Wie der Kunstmarkt zumindest an schlechten Tagen funktioniert, zeigt ein von Wolfgang Beltracchi mit Hilfe von Galeristen, Kunstagenten und vermeintlichen Experten inszenierter Fälscherskandal, in den der Max-Ernst-Experte Werner Spies verwickelt ist. Als Vorsitzender des Stiftungsrates und des Kuratoriums der Stiftung Max Ernst übte Werner Spies Einfluss auf das Museumskonzept aus. Er zertifizierte 6 angebliche Max-Ernst-Bilder als echt und bewirkte damit erhebliche Wertsteigerung der Fälschungen.(7) Werner Spies beteuert zwar, hereingelegt worden zu sein, aber er profitierte von Hautgout verbreitenden Provisionen in sechsstelliger Größenordnung, so dass sich der LVR als Museumsträger 2012 von Werner Spies trennte.(8)


Capricorn, 1948 In den Ausstellungsräumen betrachten wir ca. 70 weitere Skulpturen, u.a. einen Bronzeabguss der Großplastik Capricorn, die zu den Hauptwerken des Künstlers zählt. Standfiguren erinnern häufig an Arbeiten von Alberto Giacometti, mit dem Max Ernst Freundschaft pflegte, und von Joan Miró, der wie Max Ernst zum Kreis der Surrealisten um André Breton gehörte. Wandreliefs und Friese könnten von mittelalterlichen Bestiaire, chinesischen Hausdrachen und indianischen Kultobjekten inspiriert sein. 
Im Gesamtwerk von Max Ernst gelten bildhauerische Arbeiten jedoch eher als ein Nebenschauplatz, auf dem der Maler nach eigenen Worten "Entspannung" suchte.  






Les Oiseaux, 1934 Als Maler zählte Max Ernst zwischen den beiden Weltkriegen zur internationalen künstlerischen Avantgarde. Aus dem reichen Werk präsentiert die Sammlung des Max Ernst Museums ca. 70 Jahre der Werkperiode mit eher weniger bedeutenden Arbeiten, die nicht zu seinen Hauptwerken zählen, aber allemal sehenswert sind.
Ohne ein Kunststudium absolviert zu haben, beherrschte Max Ernst eine breite Palette an Malstilen und Techniken, mit denen er experimentierte und in unterschiedlichen Ausdrucksformen variierte. Vogelmotive bilden ein durchgängiges Element aller Schaffensperioden und erinnern mitunter an Paul Klee, der zwar kein Mitglied der Gruppe der Surrealisten war, sich aber 1925 an der ersten Gruppenausstellung der Surrealisten in Paris beteiligt.





Frühe Jahre in Deutschland
Eisenbahnunterführung an der Comesstraße, 1912 Vor dem Ersten Weltkrieg entstandene frühe Arbeiten sind von Vincent van Gogh inspiriert.
Unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs wandte sich Max Ernst von traditionellen Kunstformen ab. Er schloss sich der Bewegung des Dadaismus an, begründete mit Hans Arp und Johannes Theodor Baargeld den Kölner Dadaismus, veranstaltete mit den beiden eine Dada-Ausstellung und gab mit ihnen eine dadaistische Zeitschrift heraus.(9)












Frankreich 1922-1941
1922 zog Max Ernst nach Paris um, Epizentrum der Kunstwelt, und schloss sich der surrealistischen Bewegung um André Breton an, die in Frankreich aus der dadaistischen Bewegung hervorging. Mit dem großformatigen Ölgemälde 'Au rendez-vous des amis'
(Das Rendezvous der Freunde) gab Max Ernst 1922 ein Statement ab, mit dem er sich im Kreis der damaligen Avantgarde in der ersten Reihe postiert.(10) Bemerkenswert ist die Darstellung von Gala Éluard Dalí als einziger Frau im Bild. Gala ist keine Künstlerin, sondern damals mit dem Lyriker Paul Éluard verheiratet, der Max Ernst förderte und bei dem Max Ernst nach seiner Ankunft in Paris wohnte. Gala agierte als 'Femme fatale' in Künstlerkreisen und ging als 'Muse' u.a. von Max Ernst (der Gala in einigen Gemälden nackt darstellt) und von
Salvador Dalí in die Kunstgeschichte ein.(11)


Matin et soir, 1930Paysage, 1922L'oiseau en cage, 1924

1924 verfasste André Breton im Manifeste du Surréalisme (Manifest des Surrealismus) die Programmatik der Bewegung, gemäß der 'Surrealität' Zustände von Traum und Wirklichkeit zu einer 'absoluten Realität' verschmilzt.
Mittels nicht planbarem 'psychischem Automatismus' verleiht der künstlerische Akt dieser 'Surrealität' Anschaulichkeit, die keinen formalen Schranken unterliegt. 
Wie weit in surrealistischen Arbeiten Unbewusstes und Übernatürliches Ausdruck findet, mag strittig sein. Für Max Ernst ist die Programmatik des Manifestes ein bestimmendes Motiv seiner Arbeiten.

D-Paintings Nach einer Affaire mit Meret Oppenheim lernt Max Ernst Peggy Guggenheim kennen, die 1941 seine Flucht in die USA organisiert, wo sie nach Ankunft heiraten.(12) Durch Guggenheims Ausstellung 'Century's Exhibition by 31 Women' lernt Max Ernst 1942 die Künstlerin  Dorothea Tanning kennen, die er 1946 heiratet. Die beiden ziehen nach Sedona, Arizona, wo Max Ernst auf die ihn nachhaltig beeinflussende Kultur der Hopi trifft.
Zu Geburtstagen von Dorothea Tanning sowie zur Hochzeit und zur Silberhochzeit malte Max Ernst jeweils ein als 'D-painting' bezeichnetes (meistens kleinformatiges) Bild. 36 'D-paintings' bilden ein 'Herzstück' der Sammlung im Max Ernst Museum. (KStA: Jedes Bild ein Kuss)




Frankreich ab 1953
Nordlicht am Nordrhein, 1968 1953 kehrten Max Ernst und Dorothea Tanning zurück nach Frankreich. Der unter den Nazis noch als 'entartet' verfemte Künstler findet inzwischen weltweit Anerkennung und häuft für sein Schaffen internationale Preise an. Die Ehrung mit dem großen Preis für Malerei auf der 27. Biennale von Venedig 1954 bedeutet für Max Ernst den internationalen Durchbruch und führt zum Ausschluss eines Wegbereiters des Surrealismus aus der Surrealistengruppe.(13)
Mit der Rückkehr nach Europa widmete sich Max Ernst verstärkt grafischen Arbeiten. Die von der Kreissparkasse Köln aufgekaufte Sammlung Schneppenheim umfasst nahezu das gesamte grafische Werk von Max Ernst und bildete ein gewichtiges Argument zur Etablierung des Max Ernst Museums.








Museumsbistro Chez Max
Café Chez Max im Max Ernst Museum Brühl Bei unserem Besuch waren wir die einzigen Gäste im Museumsbistro Chez Max, obwohl Kaffee und Kuchen von guter Qualität sind. Eine Wand des Cafés ziert ein Diorama des Bildes 'Au rendez-vous des amis' (Das Rendezvous der Freunde), 1922. Wer das Original sehen möchte, muss nicht weit reisen. Es gehört dem Kölner Museum Ludwig neben einem weiteren bedeutenden Werk: Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: André Breton, Paul Éluard und dem Maler. (Link zum Bild)  











Amerkungen

  1. Normalpreis Erwachsene: 7€, Parkplätze am Museum sind kostenlos.
    Die Räume der Wechselausstellung sind zum Zeitpunkt unseres Besuchs wegen Ausstellungsumbau geschlossen. 
  2. Eine entscheidende Rolle im Streit zwischen Max Ernst und seiner Heimatstadt Brühl spielte das Bild „Die Geburt der Komödie“. 1951 hatte Karl Seibt, Beigeordneter der Stadt Brühl, eine Max-Ernst-Ausstellung organisiert, aus der Probleme wuchsen:
    (1) Seibt führte seinen Doktortitel zu Unrecht führte und durfte daher nicht Dezernent sein.
    (2) Die Schau erbrachte ein erhebliches Defizit.
    (3) Um sich am Defizit zu beteiligen, schenkte Max Ernst der Stadt das Bild „Die Geburt der Komödie“. Um das Finanzloch zu stopfen, verkaufte die Stadt für kleines Geld das Bild an eine Sammerin.
    (4) Der Verkauf erboste Ernst ebenso wie der Umgang mit Seibt, in dem er Behördenwillkür gegenüber dem „kleinen Mann“ sah.
    „Die Geburt der Komödie“ wurde später vom Museum Ludwig gekauft
    (Quelle: KStA: "Die Geburt der Komodie" kehrt zurück)
  3. Der Spiegel, 28.03.1966: Max Ernst 
  4. Die Welt, 17.02.2002: Max Ernst - Willkommen in Brühl
  5. Berliner Zeitung, 08.09.2005: Paradiesvogel im heimischen Käfig 
  6. FAZ 03.09.2005: Max Ernst Museum, Brühl: Kosmische Heiterkeit im Haustheater
  7. Medienberichte zum Kunstfälscherskandal:
    Süddeutsche Zeitung: Werner Spies' Rolle im Kunstfälscherskandal: Ende der Unfehlbarkeit
    Zeit Online: Max Ernst GmbH & Co. KG
    FAZ: Systemkrise im Kunstmarkt: Als ich mich fand im dunklen Wald
    FAZ: Kunstfälscher-Prozess: Das ist nicht die ganze Wahrheit
    Süddeutsche Zeitung: Kunstfälscherskandal: Helene singt
    Süddeutsche Zeitung: Entscheidung im Kunstfälscher-Prozess: Das Urteil
  8. Zeit Online: Endlich vorbei
  9. Kölner Dada und Johannes Theodor Baargeld: Marx und Dada in der Steilwand
  10. Link zum Bild Das Rendezvous der Freunde, dessen Original im Kölner Museum Ludwig zu sehen ist. 
  11. Ab ca. 1929 kümmert sich Gala hauptberuflich um Karriere, Geschäfte und Liebesleben von Salvador Dalí. Die beiden heiraten 1934.
    Ebenfalls 1934 schloss der Surrealisten-Kreis um André Breton Dalí wegen dessen vermeintlich konterrevolutionärer Gesinnung als 'faschistisches Element aus der Gruppe aus.
    Dalí war damals bereits ein Publikumsmagnet und beteiligte sich nach seinem Ausschluss weiter an Ausstellungen der Gruppe.
  12. Spiegel Online über Peggy Guggenheim: Die Männer gingen, die Kunst blieb
  13. Art in Words: Max Ernst. Surrealist der ersten Stunde

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