Gegen 22:30 Uhr klingelte gestern das Telefon. Anrufe zu dieser Tageszeit sind ungewöhnlich und stellen sich meistens als Irrtum heraus. In seltenen Fällen geht es um wichtige und dann eher unerfreuliche Nachrichten. Den Anruf haben wir zunächst nicht angenommen, weil die Telefonnummer des Anrufers auf dem Display „unbekannt“ war. Auf den AB wurde keine Nachricht gesprochen, was wir bei dringender Nachricht erwarten würden. Wenige Minuten nach dem ersten Anruf klingelt das Telefon erneut. Offenbar besteht eine gewisse Dringlichkeit. Mit der Annahme des Gespräch beginnt eine abenteuerlich-dreiste Geschichte.
Am Telefon meldet sich eine seriös klingende Männerstimme mittleren Alters. Der Anrufer spricht akzentfreies und fehlerfreies Deutsch. Er stellt sich als Kriminalbeamter des Kölner Raub- und Einbruchdezernats vor und gibt an, zu dieser ungewöhnlichen Zeit anzurufen, weil im Nachbarhaus eingebrochen worden sei. Es handle sich um eine Gruppe von Einbrechern, von denen einige der Täter inzwischen gefasst werden konnten; bei ihnen sei eine Aufstellung gefunden worden, auf der unser Name und unsere Anschrift vermerkt seien. Vermutlich seien wir als potentielle Einbruchsopfer unter Beobachtung, weshalb der freundliche Beamte uns warnen und mit uns über angemessene Maßnahmen sprechen wolle.
Wir sind keine misstrauischen Menschen, aber auch nicht unvorsichtig oder naiv und fragen darum den Anrufer: „Wie können wir sicher sein, dass Sie tatsächlich Kripobeamter sind?“ Der Anrufer war keineswegs überrumpelt. Zur Authentifizierung seiner Person empfahl er, das Gespräch zu beenden, mit der Nummer 110 den Polizeinotruf anzurufen und dort eine Weiterleitung zu Herrn Dominik Wagner zu verlangen. Er sei bei der Polizei bekannt und halte sich derzeit im Raub- und Einbruchdezernat K42 am Walter-Pauli-Ring auf (eine Straße in Köln-Kalk, an der es tatsächlich eine Kreispolizeibehörde gibt). Von der Einsatzzentrale würde der Anruf zu ihm durchgestellt. Vermutlich geht der Anrufer davon aus, dass dieser Vorschlag ausreichendes Vertrauen für eine Weiterführung des Gesprächs stiften würde. Wir beenden jedoch das Gespräch und rufen 110 an.
Unter 110 nimmt an der Meldestelle eine junge Frau das Gespräch entgegen. Nach kurzer Erklärung des Grunds unseres Anrufs ist die Gesprächspartnerin sofort im Bilde und erklärt, dass der Anrufer ein Trickbetrüger sei, die Methode seit einiger Zeit genutzt würde und heute bereits ein weiterer Fall dieser Art von unserer Straße gemeldet worden sei. Die Polizistin bietet an, kurzfristig 2 Beamte zur Aufnahme einer Anzeige zu schicken. Alternativ könnten wir morgen eine Anzeige online aufgeben. Da wir jetzt ohnehin hellwach sind, entscheiden wir uns für die Sofortmaßnahme und vereinbaren ein Kennwort, mit dem sich die Beamten bei uns authentifizieren werden.
Nach ca. 30 Minuten Wartezeit fährt ein Polizeiauto vor, aus dem eine junge Polizistin und ein junger Polizist aussteigen, zu unserer Haustür gehen und klingeln. Im Hausflur weisen sie sich ungefragt mit dem vereinbarten Kennwort aus. Das Gespräch führen wir in unserer Wohnung. Die 'echte Polizei' erklärt die Masche des Trickbetrugs, der zur Zeit häufig in Köln angewendet würde. Die Betrüger schauen sich in Wohngebieten mit vermeintlich begüterten Bewohnern um und suchen aus Telefonbüchern Bewohner mit unmodischen Vornamen, die vermeintlich zu älteren Personen gehören. Wenn angerufene Zielpersonen ausreichendes Vertrauen gefasst haben, empfiehlt der 'Fake-Polizist' als Schutzmaßnahme dringend eine polizeiliche Sicherstellung bzw. Aufbewahrung von Wertsachen und kündigt an, zu diesem Zweck umgehend 2 vermeintliche Beamte in Zivil vorbeizuschicken, denen die Wertsachen auszuhändigen seien, worauf die Beamten die Übergabe quittieren würden. Lt. unserer 'echten Polizei' war die Masche bereits mehrfach erfolgreich (eine Variante des Enkeltricks, der inzwischen zu bekannt ist, um erfolgreich zu sein). Soweit sich die Gespräche zurückverfolgen lassen, kommen sie aus Callcentern der Türkei.
Unsere 'echten Polizisten' notieren den von uns beschriebenen Sachverhalt und kündigen an, eine Anzeige zu veranlassen. Die Erfolgsaussichten einer Aufklärung seien jedoch gering, fügen sie hinzu. Einen Einbruch in unsere Wohnung bräuchten wir jedoch nicht zu befürchten, es handle sich um eine Gruppe reiner Trickbetrüger. Zum eigenen Schutz empfehlen sie mehrere Maßnahmen:
- Gegenüber dubiosen Anrufern gesundes Misstrauen entwickeln -> hat funktioniert
- Freunde und Bekannte über die Trickmasche informieren -> machen wir gerade
- Festnetznummer aus dem Telefonbuch löschen lassen -> ist veranlasst
- Anrufe mit Rufnummernunterdrückung sperren -> kann unser Provider nicht einrichten (In der FritzBox, über die wir telefonieren, können unter Rufnummernsperre Anrufe ohne Nummer abgelehnt werden.)
Beim Abschied erklären die 'echten Polizisten, dass ein weiterer Fall gemeldet sei (der 3. an diesem Abend), zu dem sie jetzt aufbrechen. Inzwischen haben wir 23:15 Uhr. An Schlaf ist vorerst nicht zu denken.
Medienberichte zur Betrugsmethode
LKA NRW: Vorsicht: Falsche Polizeibeamte am Telefon!
12.02.2020: rbb24: Ermittlern gelingt Schlag gegen Falsche-Polizisten-Bande
11.02.2020: NRZ: Lügen am Telefon: Falsche Polizisten nahmen Senioren aus
21.03.2019: Welt: Die Trickanrufe kamen aus türkischen Callcentern
15.02.2019: SZ: "Das hat eine neue Dimension": Betrügerische Anrufe nehmen drastisch zu
31.10.2019: General-Anzeiger: Falsche Polizisten erbeuten 750.000 Euro
21.09.2018: FAZ: Großrazzia gegen Telefonbetrüger
14.06.2018: Spiegel: Mutmaßliche Hintermänner der Callcenter-Mafia festgenommen
08.07.2021: FAZ: Sie müssen das Schließfach entleeren!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen