Mittwoch, 8. November 2023

Besuch Schloss Gottorf

Tickethaus und Front Schloss Gottorf Burggraben Schloss Gottorf, Schleswig Skulptur Schädelbaum von Daniel Spoerri im Skulpturenpark Schloss Gottorf

Im Rahmen eines 2-wöchigen verregneten Aufenthalts in Schleswig-Holstein (Reisetagebuch Herbstreise nach Schleswig-Holstein, 29.10.-12.11.2023) nutzen wir den heutigen Regentag für einen Kulturausflug nach Schleswig. Unser Kulturprogramm beginnt an und in der großen barocken Anlage Schloss Gottorf auf einer Insel der Schlei. Vom Parkplatz zwischen Schlossinsel und Innenstadt von Schleswig nähern wir uns zu Fuß und finden den Zugang zur Insel nicht auf Anhieb. Ein vom Sturmtief Emir verursachtes Hochwasser hat nämlich sowohl die zentrale Zufahrt als auch Fußwege zerstört. Besucher sind heute ohnehin Ausnahmen und im Zeitraum unseres Aufenthaltes an 2 Händen abzuzählen. - Fotoserie 
 
Die Insel erreichen wir schließlich auf der für Fußgänger nicht ausgeschilderten verbliebenen Zufahrt auf der Rückseite der Anlage über eine zum Schlossgarten führende Allee, die eine Verbindung zwischen Insel und Schlossgarten herstellt. Im Sommerhalbjahr ist der barocke Schlossgarten einen Besuch wert. Im Garten befindet sich in einem eigens errichteten Gebäude ein Nachbau des berühmten begehbaren Gottdorfer Riesenglobus (in Wintermonaten geschlossen), dessen Geschichte der verlinkte Wikipedia-Eintrag vorstellt. Ebenfalls sehenswert ist der Skulpturenpark Schloss Gottdorf, den wir aber lediglich en passant beachten, weil sich Regen nähert.
 
Die um einen Innenhof gruppierte vierflügelige Schlossanlage hat eine mehr als achthundertjährige Vorgeschichte mit zahlreichen Umbauten und Erweiterungen. Die älteste urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1161 verweist auf eine Bischofsburg. In nachfolgenden Jahrhunderten war das Schloss die Residenz Schleswig-Holsteiner Herzöge und mehrerer Dänenkönige sowie Sitz dänischer Statthalter, Lazarett und Kaserne. In der Gegenwart sind im Schloss neben Sonderausstellungen die archäologische Sammlung sowie die Sammlung für Kunst und Kulturgeschichte der Stiftung Landesmuseen Schleswig-Holstein untergebracht. Besucher könnten sich über Tage und Wochen mit den Sammlungen beschäftigen. Wir verschaffen uns auf einem Rundgang lediglich einen Überblick und schenken Sonderausstellungen keine Beachtung..


Rundgang durch die archäologische Sammlung

Nydamboot Schloss Gottorf Modell des Nydamboots Schloss Gottorf Modell eines historischen Bauernhauses in der archäologischen Sammlung Schloss Gottorf

Bedeutendstes Objekt der archäologischen Sammlung ist das in einem separaten Gebäude untergebrachte, um 340 gebaute Nydamboot. Das 22,84 m lange und max. 3,26 breite Boot war ein hochseetaugliches Kriegsfahrzeug, das von 36 Ruderern angetrieben wurde und bis zu 45 Personen Besatzung aufnehmen konnte. Um das Jahr 345 wurde das Boot in einem Opfersee des Nydamer Moors bei Sonderborg versenkt und dort 1863 von dänischen Archäologen entdeckt und ausgegraben. Im Deutsch-Dänischen-Krieg gelangte das Boot 1864 in preußischen Besitz und wurde zunächst nach Flensburg und später nach Kiel überführt. Trotz dänischer Rückforderungen wird das Boot seit 1946 im Schloss Gottorf ausgestellt. 

Die archäologische Sammlung deckt die gesamte Vor- und Frühgeschichte Schleswig-Holsteins und teilweise Nordeuropas von der Steinzeit über die Bronze- und Eisenzeit bis zum Mittelalter ab. Mit mehr als 10 Millionen Fundstücken ist die Sammlung eine der größten dieser Art in Europa, aber überwiegend ausgesprochen kleinteilig. Sie zeigt zahllose und Splitter von Feuersteinen, Pfeilspitzen, Keramikscherben, Tongefäße, Werkzuge, Waffen etc., die von Jägern und Sammlern gefertigt und vor allem in Mooren gefunden wurden. Die ältesten Artefakte wurden vor ca. 120.000 Jahren von Neandertalern hergestellt. Für Laien sind die meisten der frühen Artefakte eher wenig interessant. Experten leiten aus den Fundstücken kulturelle Entwicklungen sowie klimatische Veränderungen und deren Einfluss auf Flora und Fauna ab. 
 
Anschaulicher wird die Sammlung mit Beginn der Sesshaftigkeit und insbesondere ab der Verarbeitung von Metallen, die im Unterschied zu organischem Material nur sehr langsam verrotten. Insbesondere Gräberfunde erlauben Rückschlüsse bezüglich kultureller Prozesse. Über kulturelle Vorstellungen und Praktiken kann jedoch nur spekuliert werden. Daher lässt sich bezüglich mehrerer Moorleichen-Exponate nicht bestimmen, ob es sich um Unfälle, Opfer oder Hinrichtungen handelt.


Rundgang durch die Sammlung für Kunst und Kulturgeschichte

Renaissance-Kapelle Schloss Gottorf Hirschsaal von 1591 mit Video-Installation einer Sonderausstellung Gotische Halle Schloss Gottorf

Links:     Schlosskapelle im Stil der Renaissance
Mitte:     Hirschsaal von 1591 mit Jagdmotiven
Rechts: Gotischer Saal, Relikt älterer Bausubstanz
 
Mehrere herrschaftliche Räume des Schlosses sind durchaus bemerkenswert. Am interessantesten sind aus unserer Sicht 2 Räume:
  • Der aus einer früheren Bauphase stammende gotische Saal des 15. Jahrhunderts, in dem sakrale Kunst des 13. bis 15. Jahrhunderts ausgestellt ist, u.a. mehrere Altarretabel und sakrale Skulpturen. Im gotischen Saal treffen wir auf eine gotische Triumphkreuzgruppe aus der vor 2 Tagen besichtigten Kirche St. Laurentius in Kosel
  • Die Ende des 16. Jahrhunderts im Stil der Renaissance gebaute zweigeschossige Schlosskapelle wird bis heute für Trauungen und Taufen genutzt. In historischer Zeit saß im Erdgeschoss der Kapelle das einfache Volk. Hofstaat und Adel nahmen auf der Empore Platz. Der Herzog saß mit seiner Familie in einer beheizbaren Betstube, die von den herzöglichen Gemächern betreten werden konnte.

In der Barockabteilung spricht uns eine Mitarbeiterin an und fragt, ob wir an einem vierminütigen Virtual-Reality-Film über den begehbaren Gottdorfer Riesenglobus interessiert seien. Wir stimmen zu und betrachten mit einer VR-Brille den Film, den wir als relativ oberflächlich-plakativ empfinden. Im Frühjahr des nächsten Jahres möchten wir uns den Globus im Schlossgarten in Realität anschauen.

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