Eric Werners mit einem Michelin-Stern ausgezeichnetes Restaurant astrein steht schon länger auf unserer To-do-Liste. Den Anstoß zum heutigen Besuch gibt das neue Konzept "Vinovibes-Kurzurlaub", den der Internetauftritt des Restaurants beschreibt:
"Sternekoch Eric Werner und seine Sous-Chefin Mona Baumgarten kreieren
für die Gäste im astrein Köln jeden Donnerstag ein schmackhaftes
3-Gang-Menü, das die Aromen und Einflüsse der vielfältigen Region auf
einzigartige Weise zum Ausdruck bringt. [...] Lehn dich zurück: Wein, Genuss und Urlaubsfeeling – Ein Abend voller Geschmackserlebnisse!"
Zum attraktiv kalkulierten Preis von 75 € inkl. Brot, Butter, Lauchöl, Gruß aus der Küche, Petit-Fours bereitet das 3-Gang-Menü außerordentliches Vergnügen. Eine Weinbegleitung kann als Version "Bützchen" für 30 € oder als Version "Schunkele" für 57 € gewählt werden. Um Vergleichbarkeit zu ermöglich, wählen wir alternativ die beiden Versionen. - Fotoserie
Auftritt und Auftakt
Outside wäre der Auftritt des Restaurants in der Krefelder Straße nicht unbedingt vertrauenserweckend, wenn nicht das benachbarte Restaurant Le Moisonnier Bedenken seit vielen Jahren zerstreuen würde. Inside ist die Einrichtung nicht auf edel getrimmt, aber sie ist auch nicht nachlässig, sondern vermittelt leger-entspannten Aufenthalt. Im Restaurant ist ein Tisch im hinteren Bereich reserviert, von dem wir den geschäftigen Betrieb in der halboffenen Küche beobachten können. Bei ca. 27 Grad Außentemperatur und Wärmabstrahlung aus der Küche empfinden wir den Raum als nicht ausreichend temperiert und ziehen darum sofort unsere Jacketts aus.
Wir wären gerne mit einem Glas Sekt gestartet, auf das wir jedoch verzichten müssen, weil lediglich Champagner angeboten wird, der nicht in unser Budget passt oder ein Cocktail, der uns nicht interessiert. Als Aperitif begnügen wir uns mit Mineralwasser, das zum Preis von 9,50 € pro Flasche im doppelten Sinn prickelt und mit etwas Phantasie einem Sekt fast nahe kommt. Auf das zusätzlich angebotene Upgrade eines Kalbtatars (18 €) verzichten wir. Erfreulich fallen das Brotsortiment mit Butter und Lauchöl mit grasigen Aromen aus. Der Gruß aus der Küche, Tomaten-Brotsalat mit Parmesanchip, Piment d'Espelette und grünem Olivensud, ist eher eine Vorspeise. Olivensud mit Suchtpotential rechtfertigt den als Besteck vorgesehenen Saucenlöffel. Aromatische Eindrücke begeistern und lassen Erwartungen sprunghaft anwachsen.
Das 3-Gang-Menü übertrifft unsere Erwartungen deutlich
- Als Vorspeise wird ein Duett von Bachforelle und geräucherter Farce mit jungem Gemüse und Sauce Vichyssoise [kalte Kartoffel-Lauchcreme-Suppe] gereicht. Bei der Ansage des Gerichts erfahren wir, dass Aromen vom Räucheraal beteiligt sind. Die Zerstörung des kleinteiligen Kunstwerks zum Zweck des Essens fällt uns schwer, aber nur so können wir die kunstvoll orchestrierten Aromen der Komposition genießen. Zur Sauce Vichyssoise vermissen wir einen Löffel.
- Das Hauptgericht besteht aus einem wunderbar zart geschmortem und in der Größe recht stattlichem Schaufelstück vom Münsterländer Weiderind [ein aus dem Mittelteil der Schulter geschnittenes Stück] mit Blumenkohl auf Brunnenkresse-Crêpe. Wir fragen uns, ob wir Rinderbraten mit Wissen über die Garzeit auch so perfekt zubereiten können. Auf Nachfrage erhalten wir die Information, dass das Rindfleisch 3,5 Stunden bei 140 Grad geschmort wurde. Demnächst werden wir Rinderbraten aus einem Schaufelstück schmoren.
- Die Bezeichnung des Desserts als Scheiterhaufen mit Mirabellen aus Seelscheid und Apfelsorbet wirft natürlich Fragen auf. Auf "Scheiterhaufen" werden Tote im Rahmen von Feuerbestattungen verbrannt und wurden Ketzer und Hexen verbrannt, um die Erde nicht zu verunreinigen. Was haben "Scheiterhaufen" in der Küche zu suchen? In bodenständigen Küchen werden als "Scheiterhaufen" Gerichte bezeichnet, in denen altbackenes Brot mit Früchten und anderen Zutaten zu phantasievollen Süßspeisen verarbeitet werden. Der im Zentrum des Tellers angerichtete "Scheiterhaufen" ist ein von gegarten Fruchtstücken umgebener, an Früchtebrot erinnernder würziger Mini-Kuchen, auf dem ein süß-sauer ausbalanciertes Apfelsorbet thront. Eine lauwarm angegossene Vanillesauce verleiht der Komposition Substanz und verbindende Struktur. Glücklicherweise begleitet die aufgelegte Dessertgabel ein kleiner Löffel.
- Hinsichtlich der Weinbegleitung befinden wir, dass die Serie"Bützchen" Vergnügen bereitet. Der Preis gereifter Weine der Serie "Schunkele" aus qualitativ hochwertigen Lagen verdoppelt fast den Preis der
Weinbegleitung. Der Preis mag gerechtfertigt sein, dass sich unser Trinkvergnügen verdoppeln würde, stellen wir jedoch nicht fest. Entscheidend sind hier selbstverständlich individuelle Erfahrungen und Vorlieben.
Fazit: große Sterne zum kleinen Preis

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