Mittwoch, 26. Juni 2019

Die Welt des europäischen Mittelalters in der Bilderburg Schloss Runkelstein

Fresken im Turniersaal Schloss RunkelsteinSchloss Runkelstein über der Talfer Vor einigen Tagen haben wir uns in Trient im Castello del Buonconsiglio Fresken des Zyklus der Monate angeschaut (Post 22.06.2019) und so eine Zeitreise in das europäische Mittelalter unternommen. Zur Zeit der Entstehung dieser Fresken fand in Schloss Runkelstein (eine in ihrem mittelalterlichen Charakter erhaltene Burg auf einem Porphyrfelsen am Eingang des Sarntals) ebenfalls eine Ausmalung mit Fresken statt. Dieser Freskenzyklus gilt in der Gegenwart als weltweit größter profaner Freskenzyklus des Mittelalters und als eine bedeutende Quelle adeliger Mode ihrer Zeit. Klingt interessant und motiviert uns zum Besuch, der sich als spannend erweist.(1) - Fotoserie


Geschichte von Schloss Runkelstein im Überblick
Darstellung der Vintler-Brüder in der Badestube Schloss Runkelstein Das aus dem Vinschgau stammende Geschlecht der Edelfreien von Wangen, Vertrauensleute des Bischofs von Trient, kontrollierte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts das südliche Sarntal und dessen Einmündung in das Bozner Becken mit mehreren Burgen, darunter die 1237 am Eingang des Sarntals errichtete Burg Runkelstein.(2) Im Konflikt zwischen Tiroler Landesherren und Trienter Fürstbischöfen brachte Meinhard II. Bozen 1277 unter seine Kontrolle und eroberte die Burgen der von Wangen. In der Folgezeit ging Schloss Runkelstein durch mehrere Hände, bis die durch Geldgeschäfte und Weinhandel zu Wohlstand gekommenen bürgerlichen Bozner Brüder Niklaus und Franz Vintler die Burg 1385 erwarben.(3) 1407 übernahm Herzog Friedrich IV. mit der leeren Tasche (1382 - 1439) die Grafschaft Tirol und war sogleich in mehrere Konflikte verwickelt. Niklaus Vintler beteiligte sich am Falkenbund, eine Verschwörung des Tiroler Adels gegen den Herzog, der sich jedoch als stärker erwies. Niklaus Vintler fiel in Ungnade. Er wurde mit nur kleiner Entschädigung enteignet und verstarb 1413 verarmt. Burg Runkelstein übernahm vorerst sein Bruder Franz Vintler.

Falkner-Fresko in der Badestube Schloss RunkelsteinDame mit Krone in der Badestube Schloss Runkelstein Erzherzog Siegmund der Münzreiche (1427 - 1496), zeitweiliger Besitzer von Schloss Sigmundskron(4), betrachtete Runkelstein als landesfürstlichen Besitz und vergab die Burg an Untertanen. 1501 besuchte Kaiser Maximilian I. Runkelstein und war beeindruckt. Er ließ die Burg instandsetzen, Fresken restaurieren und vermutlich ergänzen sowie im Sommerhaus der Burg private Gemächer einrichten. Die von Maximilian I. vorgegebene Gestaltung seines Grabmals zeigt Bezüge zu Runkelstein.(5)
Nach wechselvoller Geschichte in nachfolgenden Jahrhunderten verfiel Runkelstein allmählich und wurde als Gutshof genutzt. Im 19. Jahrhundert machten Vertreter der Deutschen Romantik auf die Burg aufmerksam. 1893 schenkte Kaiser Franz Josef (1830 - 1916) Runkelstein den Bozner Bürgern, aber erst ab den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts fanden umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen statt. Im April 2000 eröffnete Schloß Runkelstein als Museum, das neben Fresken der Bilderburg eine überschaubare und nicht besonders aufregende Sammlung mittelalterlicher Waffen und Münzen sowie Sonderaustellungen zeigt.(6) Der anlässlich der Eröffnung herausgegebene Ausstellungskatalog ist online verfügbar und bildet die Hauptquelle dieses Posts.(7) 2007 wurde die Stiftung Bozner Schlösser zur Verwaltung von Runkelstein und Maretsch gegründet und 2014 die Burgruine Rafenstein eingeliedert.(8)


Fresken in Schloss Runkelstein
Freseken im Tristanzimmer Schloss Runkelstein Fresken im Turniersaal Schloss RunkelsteinGarelzimmer Schloss Runkelstein

Als Ratgeber und Finanzier des Tiroler Landesfürsten Herzog Leopold III. strebte Niklaus Vintler mit der Familie den Aufstieg in den Adelsstand an. Diesen Anspruch dokumentierten Kauf und Ausbau der Burg. Räume der Burg und Teile des Innenhofs ließ Niklaus mit Fresken ausmalen. Motive der Fresken zeigen neben Helden- und Rittergeschichten literarischer Vorlagen die höfische Welt des Adels um 1400, in der Niklaus einen Platz suchte. Der Online-Ausstellungskatalog (Anmerkung 6) beschreibt die Fresken ausführlich. Darum beschränkt sich dieser Post auf einen Vergleich der Fresken von Schloss Runkelstein mit Fresken im Adlerturm des Castello del Buonconsiglio in Trient (Post 22.06.2019), die im gleichen Zeitraum entstanden. Der Vergleich lässt sich auf 2 generelle Aussagen verdichten.
  1. Das inhaltliche Narrativ der Zeit um 1400 ist aufgrund der Breite der Motive im Castello del Buonconsiglio deutlich reicher als im Schloss Runkelstein:
    • Fresken im Schloss Runkelstein stellen das höfische Leben des Adels um 1400 sowie eine idealisierte mythologische Welt dar, an der sich der Adel orientierte. Motive der Fresken beschränken auf den kleinen Ausschnitt höfischer Hochkultur.
    • Fresken im Castello del Buonconsiglio wollen das gesamte Leben dieser Zeit in ihrer Vielfalt und ihren Abhängigkeiten zur Natur zeigen. Der Adel bildet zwar eine eigene, mehr oder weniger geschlossene Kultur, aber er repräsentiert nur einen Auschnitt der ständischen Gesellschaft, die sich aus Adel, Klerus und Landbevölkerung zusammensetzt. Routinen von Menschen dieser Stände bestimmt der Kreislauf der Jahreszeiten, also die Natur, die als unabhängige Macht verstanden wird, von der Menschen abhängig sind und die den zeitlichen Takt vorgibt. 
  2. Die formale künstlerische Qualität der Fresken im Castello del Buonconsiglio ist deutlich meisterhafter als die Qualität der Fresken im Schloss Runkelstein:
    • Fresken im Schloss Runkelstein bemühen sich nicht um naturalistische Darstellung. Sie zeigen stilisierte Menschentypen in überwiegend starren Posen. Stehende Personen sind wie auf einer Bühne aufgereiht und scheinen nahezu die gleiche Figur und die gleiche Körpergröße zu haben. Haltungen und Gesichtszüge variieren wenige Muster. Statische Szenen verzichten auf natürliche Hintergründe und auf perspektive Darstellungen. Dynamische Turnier-, Jagd- oder Fischereiszenen verlangen nach räumlicher Tiefe, deren Umsetzung kulissenartig gerät. Räume sind in der Tiefe nicht perspektisch gemalt. Im Raum gestaffelte Personen haben die gleiche Größe und wirken eher wie übereinander gepackt. Hintergründe bestehen aus Ornamenten oder aus Phantasielandschaften einer Fantasy-Burgenwelt.
    • Fresken im Castello del Buonconsiglio fallen in einen Zeitraum des Umbruchs von der Gotik zur Renaissance und bemühen sich um naturalistische Darstellungen von Personen und um Darstellung natürlicher Landschaften als Hintergrund. Perspektische Darstellungen, Individualisierungen von Personen und Momentaufnahmen dynamischer Bewegungsabläufe erreichen im Castello del Buonconsiglio noch nicht die Perfektion flämischer Meister. Erkennbar sind jedoch Einflüsse der Formensprache flämischer Malerei. Orientierungen an internationale Stilentwicklungen der Malerei sind nicht zu übersehen. Die Ausrichtung an internationale Stilentwicklungen steigert die Raffinesse von Details des Malstils und begünstigt im Ergebnis eine künstlerische Qualität von Bildern, die im Vergleich zu Fresken im Schloss Runkelstein deutlich überlegene Kunstfertigkeiten demonstrieren.    

Sonderausstellung Maximilian I. und seine Bilderburg Runkelstein, 18.04.2019 - 06.01.2020(9)
Die aktuelle Sonderausstellung zeigt Einflüsse der Bilderwelt von Runkelstein auf Maximilians Gedächtniskultur und Selbstdarstellungen. Für Experten mögen diese Zusammenhänge spannend oder bedeutend sein. Wir können der Sonderausstellung wenig abgewinnen.


Anmerkungen
  1. Eintritt inkl. Sonderausstellungen: Normalpreis 8 €, Senioren 5,50 € 
  2. Wikipedia:
    - Burg Wangen-Bellermont
    - Schloss Runkelstein 
  3. Wikipedia:
    - Niklaus Vintler
    - Vintler
  4. Der tiroler Landesfürst Herzog Sigmund der Münzreiche kaufte 1473 die Burg, benannte sie in Schloss Sigmundskron um und ließ sie massiv ausbauen. Finanzielle Engpässe zwangen Sigmund zur Aufgabe der Burg, die bald verfiel. 2006 übernahm Reinhold Messner die Festungsanlage und richtete dort das Messner Mountain Museum Firmian ein (Post 2015/16, Fotogalerie 2018).
  5. Wikipedia: Grabmal Kaiser Maximilians I.
  6. Museums-Webseite: Schloss Runkelstein
  7. Ausstellungskatalog anlässlich der Eröffnung von Runkelstein als Museum im Jahr 2000:
    - Schloss Runkelstein - Die Bilderburg
    - Geschichte Burg Runkelstein
    - Galerie der Fresken (mit Erläuterungen)
  8. Stiftung Bozner Schlösser
  9. Ausstellungsflyer (PDF)

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