Die Kölner romanische Kirche St. Aposteln ist den 12 Aposteln gewidmet und feiert 2021 ihr 1000-jähriges Bestehen.(1) Ob der Kirchenbau tatsächlich 1021 von Erzbischof Pilgrim beauftragt wurde, ist unter Historikern strittig. Den Neubau hat möglicherweise bereits der Vorgänger veranlasst, Erzbischof Heribert. Unstrittig ist, dass bereits Vorgängerbauten existierten sowie dass die Basilika in den vergangenen 1000 Jahren mehrfach umgebaut und im 2. Weltkrieg stark zerstört wurde, sodass die aktuelle Kirche auch als Neubau nach historischen Vorlagen gelten könnte.(2) Wie auch immer, St. Aposteln zählt zu den 12 großen romanischen Kirchen Kölns und damit zum Kanon unseres Besichtigungsprojekts romanischer Kirchen in Köln. - Fotoserie St. Aposteln
Auftakt in St. Aposteln
Die Führung beginnt verspätet. Zu der vom Kölner Domforum
organisierten Führung (12 €/pP) finden sich 5 von 10 angemeldeten
Teilnehmern ein, sodass unser Guide, Kunsthistorikerin und Archäologin,
die Führung mit erfolgloser Rücksicht auf mögliche Nachzügler c.t. startet. Der Start gelingt trotz c.t. holprig. Geöffnet ist zunächst nur die
Vorhalle des Westbaus. Der Zugang zum Langhaus ist versperrt und eine
Aufsichtsperson ist nicht vor Ort. Die Notwendigkeit einer Absperrung ist
nachvollziehbar. Während unseres Aufenthaltes droppen mehrfach
skurrile Personen (vermutlich aus der Drogenszene am Neumarkt) mit
undurchschaubaren Absichten in die Kirche. Irritierend ist jedoch, dass Absprachen mit der
Kirchenaufsicht nicht stattfinden oder nicht funktionieren. Nach Telefonaten und Kurznachrichten erscheint mit weiteren 15
Minuten Verzögerung eine Aufsichtsperson, die den Zugang zum Langhaus
aufschließt und sich dann gleich wieder zurückzieht. Krypta und
Schatzkammer bleiben versperrt.
Vorgeschichte und Baugeschichte St. Aposteln(3)
Zu Vorgängern der romanischen Basilika ist die Quellenlage dürftig. Archäologische Grabungen haben bisher nicht stattgefunden. Spätestens seit dem 10. Jahrhundert bestand ein Chorherrenstift mit Kirche. Trotz ungesicherter Zuschreibung bezeichnet Kölner Pragmatismus den großen salischen Neubau des 11. Jahrhunderts als "Pilgrimbau", vergisst aber auch nicht den Heiligen Heribert und vermaggelt irjenswie beide in einer sich an der Stadtentwicklung orientierenden Umgestaltung von St. Aposteln.
Ursprünglich ruhten ab 1036 Gebeine des vermeintlichen
Kirchengründers Pilgrim über einer Krypta in einem Sarkophag in der Vierung des
Westquerhauses vor dem ehemaligen Apostelchor. Im 'heiligen Köln', zu dem sich die Stadt selbst ernannte, war St.
Aposteln nämlich zunächst nicht, wie üblich, zur aufgehenden
Sonne geostet,
sondern gewestet und orientierte sich damit an frühe römische Kirchen
und den Tempel in Jerusalem, die den Eingang nach Osten und das
Heiligtum nach Westen ausrichteten. Veränderungen der religiösen
Liturgie bewirkten in Verbindung mit Stadterweiterungen im 12.
Jahrhundert einsetzende Umorientierungen.(4)
Ehemals lag St. Aposteln außerhalb der römischen Stadtbefestigung unmittelbar an deren Mauerwerk.(5) Mit der Einrichtung des Neumarkts durch Erzbischof Hildolf im Jahr 1076 erfuhr das zuvor unbesiedelte Areal eine Aufwertung.(6) Die 2. Stadterweiterung (1106 - 1141) bezog das Stift St. Aposteln in die Stadtbefestigung ein.(7) 1150 wurden ein neuer Westchor und der 67 m hohe Westturm errichtet. Die Freifläche des Neumarkts vor der Kirche motivierte vermutlich zu einer Umgestaltung der Ostseite von St. Aposteln. Mit dem ab ca. 1200 errichteten Neubau des Drei-Konchen-Chor (Trikonchos) erhielt St.Aposteln eine beeindruckende Schauseite. Im Inneren der Kirche schmückte die Ostkonche ein Marienaltar.
Nach Fertigstellung des Trikonchos zog Bischof Pilgrim im Sarkophag nach Osten unter den Vierungsaltar um. Den vorläufigen Abschluss der Umorientierung markieren barockisierende Umbauarbeiten von 1643/44, in deren Kontext die Krypta zugeschüttet und der Westchor zu einer Vorhalle mit Zugang von Westen umgestaltet wurde. Pilgrims Gebeine befinden sich seit 1907 in einem neuen Sarkophag, der in der
Gegenwart in der Südkonche aufgestellt ist. Auf einer Konsole wacht an
der nächstgelegenen Wand eine von Johann Josef Imhoff
(der Ältere, 1739 – 1802) gestaltete Statue des Heiligen Heribert über
Pilgrims Ruhe.(8)
Die Säkularisation verfügte 1802 die Aufhebung des Aposteln-Stifts. Stiftsgebäude wurden abgetragen. Die Kirche erfuhr eine Umwidmung zur Pfarrkirche und verfiel. Nachdem sie 1822 wegen Baufälligkeit geschlossen werden musste, besannen sich Kölner Bürger auf ihre Tradition. Bald fanden im 19. Jahrhundert zahlreiche Umbau- und Gestaltungsmaßnahmen statt mit dem Ziel einer historisierenden Wiederherstellung spätromanischer Zustände. 1895 - 1912 erhielt St. Aposteln eine Neuausmalung und eine Ausstattung mit Mosaiken, die wie auch in anderen Kölner romanischen Kirchen auf Entwürfe von August Essenwein (1831 - 1892) zurückgehen.
Bombentreffer beschädigten St. Apostel im 2. Weltkrieg schwer. Dächer, Gewölbe, Zwerggalerien, Giebel und nördliche Seitenschiffwand waren eingestürzt. Das Mauerwerk des Westturms hatte tiefe Risse. Nach Kriegszerstörungen fanden zunächst Sicherungsmaßnahmen statt. Bei diesen Arbeiten wurde 1956/57 die Krypta entdeckt, ausgegraben und wiederhergestellt. Den Kirchenbetrieb ermöglichte eine auf der Südseite angebaute Notkirche, deren Fenster Ludwig Gies mit dem Glasgemälde Aussendung der Apostel im expressiv-kubistischen Stil gestaltete.(9) 1975 war der Wiederaufbau in einem puristischen spätromanischen Stil weitgehend abgeschlossen.
An der Südseite von St. Aposteln steht seit 1995 an der Ecke Apostelnstraße/Mittelstraße eine vom Künstler Hans Wimmer und dessen Schüler Gerd Weiland geschaffene Bronzeplastik, die Konrad Adenauer (1876 - 1967) darstellt, ehemals Oberbürgermeister von Köln (1917 - 1933 und 1945), Präsident des Preußischen Staatsrates (1921 - 1933), Bundeskanzler (1949 - 1963).(10,11)
Details der Innenausstattung St. Aposteln im Drei-Konchen-Chor
- Mit der Ausgestaltung des Drei-Konchen-Chor wurden zeitgenössische Künstler recht mutig beauftragt.
- Gewölbe der Drei-Konchen-Anlage bemalte Hermann Gottfried (1929 - 2015) farblich reduziert mit Motiven aus der Apokalypse in einer umstrittenen abstrakten Formensprache einer expressiv-kubistischen Stilrichtung.(12)
- Ein neuer Vierungsaltar und die darüber hängende Leuchterkrone mit dem von einer Taube gehaltenen Tabernakel sind nach einem Entwurf von Sepp Hürten entstanden.(13)
- In der Ostkonche stehen Statuetten von 12 holzgeschnitzten gotischen
Apostelfiguren aus dem Jahr 1330 auf einem von Paul Nagel (1925 - 2016) geschaffenen Retabel aus dem Jahr 1988.(14)
- Am nordöstlichen Vierungspfeiler ist auf einer Konsole mit Verkündigungsengel eine barocke Madonna mit Kind auf der Mondsichel angebracht (um 1500).(15,16)
- Beim Eintritt in die Vorhalle des Westbaus treffen Besucher auf ein
achteckiges romanisches Taufbecken aus dem Jahr 1200 auf einem Podest
mit Marmormosaik aus dem Jahr 1910. Die Abdeckung des Taufbeckens stammt
aus dem berühmten Geburtsjahr 1950.(17)
- An der Nordseite des Westquerhauses ist das einzige verbliebene historistische Mosaik mit Christus als Guter Hirte aus dem Jahr 1910 angebracht.(18)
- Im Nordflügel der Vorhalle ist eine Christusdarstellung als Schmerzensmann aufgestellt, die Meister Tilman um 1450 schuf.(19)
- Bis zum Abbruch der Stiftsgebäude im frühen 19. Jahrhundert gab es in St. Aposteln eine Nothelferkapelle, die südlich des Westbaus angebaut war. In der Gegenwart ist der Südflügel der Vorhalle mit Statuen bzw. Figurengruppen als Nothelferkapelle gestaltet.
- Am Pfeiler zum Langhaus steht auf einer Konsole eine barocke Christopherusfigur des 16. Jahrhunderts.(20)
- In einer Nische befindet sich ein kurioser Marienaltar. Im Zentrum eines neugotischen Retabels (1910) sitzt eine Madonna mit Kind (um 1500, Schwaben), umgeben von 12 Halbplastiken, die Dieter Franz und seine Tochter Henrike 1994 farblich angepasst im naiven Stil fertigten.(21)
- Rechts vom Marienaltar schließen sich in 3 Figurengruppen in verschiedenen Stilepochen im Zeitraum 16.- 18. Jahrhundert entstandene Statuen der 14 Nothelfer an.(22,23)
Anmerkungen
- Erzbistum Köln: 1000 Jahre Basilika St. Aposteln Köln
- Als Antiquität kann St. Aposteln jedenfalls gemäß DIN-Norm nicht durchgehen DIN 68871. Diese dürfen nämlich nicht nachträglich durch Restaurierung wesentlich verändert worden sein. Bei Kulturgütern sind Maßstäbe weniger streng. Obwohl der 2. Weltkrieg die Originalsubstanz von St. Aposteln weitgehend zerstörte, gilt gemäß denkmalpflegerischer Grundsätze St. Aposteln als restauriert, während Groß St. Martin als rekonstruiert gilt. Harte Abgrenzungskriterien sind nicht bekannt. Vermutlich erfolgt die Einordnung geschmeidig.
- Quellen zu St. Aposteln:
- Wikipedia: St. Aposteln
- Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Aposteln
- Baukunst NRW: St. Aposteln
- KuLaDig LVR: Kollegiatstift St. Aposteln
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln
- Gemeinden Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln - Kunsthistorie
- Hiltrud Kier und Ulrich Krings: Die Romanischen Kirchen in Köln, 5. Aufl., Köln 1991
- Private Webseite von Helmut Voss: Sakrale Bauten: Basilika St. Aposteln Köln
- Auf das 'heilige Köln' geht der Anker-Post Besichtigung romanischer Kirchen in Köln ein.
- Förderverein römische Stadtmauer Köln: Die römische Stadtmauer Köln
- Wikipedia: Neumarkt (Köln)
- Fortis Colonia: Chronologie der Kölner Befestigung
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln - Figur des Heiligen Heribert und Sarkophag des Stifters Pilgrim
- In der Gegenwart wird die Notkirche als Pastor-Könn-Aula genutzt und derzeit zu einem Veranstaltungszentrum umgestaltet.
- KölnWiki: Adenauer-Denkmal
- Wikipedia: Konrad-Adenauer-Denkmal (Köln)
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln - Apostelfiguren
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln - Dreikonchenanlage
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln - Vierungsaltar
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln - Marienstatue auf Mondsichel
- Das Bildnis der Mondsichelmadonna geht auf Visionen zurück, die der Apostel Johannes in der Offenbarung beschreibt (Apokalypse). Kapitel 12 berichtet von einer kosmischen und von einem Drachen
verfolgten schwangeren Frau, die mit Sternen gekrönt und mit der
Sonne bekleidet auf dem Mond steht und dem letzten apokalyptischen
Gefecht zwischen dem Drachen (in späteren Jahrhunderten eine Schlange) und dem Erzengel Michael (Bezwinger Satans) ausgesetzt ist. Die Figur der apokalyptischen Frau (des apokalyptischen Weibs) entwickelte sich über Jahrhunderte und verschiedene Stilepochen zu einem beliebten und vielfach dargestellten Motiv der sakralen Kunst, wobei der Drache (oder die Schlange) das Böse symbolisiert und die Frau als Symbol für die Kirche verstanden wurde.
- FU Berlin: Apokalyptische Frau
- Bibel online: Offenbarung - Kapitel 12
- Wikipedia: Mondsichelmadonna
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln - Taufbecken
- Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Aposteln -Christus als Guter Hirte
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln - Schmerzensmann
- Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Aposteln - Christopherus
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln - Marienaltar
- Erzbistum Köln: Basilika St. Aposteln Köln - Nothelferkapelle
- Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Aposteln - Gruppe der Vierzehn Nothelfer
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