Mittwoch, 12. November 2025

Currywurst, Pommes und Pusztetten im Duisburg-Marxloher Kultimbiss Peter Pomm

Peter Pomm's Imbisstube in Duisburg-Marxloh
 
Rechtspopulistische Bewegungen bauschen in Marxloh, ein Ortsteil von Duisburg, und in anderen Ortsteilen von Städten des Ruhrgebiets negativ auffällige Ereignisse mit Social-Media-Berichten zu rechtsfreien Räumen von No-Go-Areas auf, um politisch motivierten Hass gegen Migranten und Zweifel an legalen Ordnungssystemen zu schüren. Auf Alarmismus und Sex & Crime fixierte Medien berichten seit ca. 20 Jahren negativ über vermeintliche Anarchie, Clan-Kriminalität, Bandenkriege und No-Go-Areas in Marxloh, in denen Familienclans und Rockerbanden die Kontrolle über Straßenzüge übernommen hätten, die die Polizei kaum noch zu betreten wage, weil sie angriffen würden und daher nur in Hundertschaften anrücken könne. Gegen dieses von Medien verbreitete negative Image kämpfen Duisburger Lokalpolitiker und nutzen Gelegenheiten zur Korrektur. Unlängst gab es eine solche Gelegenheit rund um Currywurst. Lange galt Berlin als Ursprung der Currywurst. Dieser Irrtum wurde kürzlich ausgeräumt. Seit September 2025 weist eine Messingplakette die Imbissbude Peter Pomm im Duisburger Stadtteil Marxloh als Erfinder der Currywurst aus. Peter Pomm ist ein Marketingname des Gastronoms Johann Peter Hildebrand. Über die Erfindung der Currywurst, Ansprüche verschiedener Regionen auf Urheberschaft und die Geschichte von Peter Pomm informiert der Reiseblog Mein Ruhrgebiet: Die Currywurst wurde in Duisburg erfunden!

 
Peter Pomm in Duisburg-Marxloh
Plakette an der Imbisstube Schimanski bei Peter Pomm

Lieferscheine und Rechnungen weisen nach, dass Hildebrand ab 1936 Bratwürstchen mit Tomatensauce und Currypulver zubereitet hat. Ob sie als Currywurst verkauft wurden, ist unsicher. Wahrscheinlich prägte die Berliner Imbiss-Betreiberin Hertha Heuwer 1949 den Begriff Currywurst, weshalb sie lange als Erfinderin der Currywurst galt. Erfunden hat sie aber nur die Bezeichnung. Unsicherheiten der Zuordnung dokumentiert der Wikipedia-Eintrag Currywurst. In der Nachkriegszeit verzehrten Promis wie der ehemalige Kaufhauskönig Helmut Horten und der Schauspieler Götz George, alias Kommissar Horst Schimanski, Currywurst bei Peter Pomm. Mitglieder der Familie Grillo (Grillo-Werke) und König (König-Brauerei) waren ebenfalls Kunden. Die Geschichte von Peter Pomm erzählen das Magazin der Stadtwerke Duisburg in der Ausgabe April 2024, Seite 10f, Pommes, Pusterballen & Nostalgie sowie die Tageszeitung WAZ in mehreren Artikeln. Am 28.11.2025 berichtet sogar die Münchener Süddeutsche Zeitung über Peter Pomm: Fünfzehn Zentimeter Deutschland 
 
Bis in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren waren Pommes Frites und Imbissstuben selbst im Ruhrgebiet noch exotisch. Seine erste Imbissstube eröffnete der aus der Niederlande eingewanderte Metzger Johann Peter Hildebrand 1958 in Marxloh auf der Weseler Straße. Wahrscheinlich war das in Deutschland die erste Imbissstube dieser Art. Auf der Erfolgswelle stieg sein Schwiegersohn, Wilhelm Tauber, in das Geschäft ein und führte es später als Inhaber weiter. Bald eröffneten weitere Filialen und mobile Imbissstände, darunter ein Imbissstand im ehemaligen Schwelgernbad, ein Freibad im Marxloher Volkspark Schwelgern, das in der Gegenwart eine verwilderte Brache ist (WAZ). Eine mit Pommes gefüllte Spitztüte kostete 30 Pfennig. Für 10 Pfennig gab es zusätzlich einen ordentlichen Klecks Mayonnaise. Wenn wir als Kinder das Freibad besuchten, war mit dem Ticket für 20 Pfennig das Budget meistens erschöpft. Pommes konnten wir nur selten erstehen, obwohl wir geradezu süchtig nach dem Stoff waren. So erging es vielen. Vor dem Stand war geduldiges Anstehen in einer langen Warteschlange unvermeidbar. Überlebt hat von allen Filialen nur die 1967 am August-Bebel-Platz eröffnete Pusztettenstube, die Hildebrands Schwiegersohn Wilhelm Tauber gehört und von dessen Tochter betrieben wird. 
 
Sören Link Tafel1.jpg Peter Pomm Ladenfront.jpg Sören Link Peter Pomm.jpg
 
Sören Link Currywurst2.jpgSören Link Currywurst1.jpg
Das Duisburger Stadtmarketing greift die Geschichte von Peter Pomm auf. Hildebrands Geburtstag, den 22. September, erklärt das Stadtmarketing zum Tag der Currywurst. Es ehrt Peter Pomm's Pusztettenstube mit einem Eintrag im Stadtportal und lässt an der Straßenfront des Imbisses eine Messingtafel anbringen. (Die grammatisch falsche Schreibweise Pomm's hat sich Peter Hildebrand ausgedacht.) Oberbürgermeister Sören Link rückt zum Anlass persönlich mit Medientross bei Peter Pomm an. OB Link hilft bei der Befestigung der Tafel, hält eine Ansprache und verzehrt nach getaner Arbeit Currywurst mit Pommes, selbstverständlich stilecht in Pappschale mit Pommesgabel im Stehen. Seinen Auftritt kommentiert er in Facebook: Heute ist #tagdercurrywurst - und deswegen ist es genau das richtige Datum, um ein für allemal klarzustellen: die #currywurst kommt aus #duisburg. Hier wurde sie erfunden von Peter Hildebrandt - und hier kann man heute noch das Original essen. Bei Peter Pomms auf dem August-Bebel-Platz in #marxloh. #duisburgistecht - und Currywurst auch. (Der Schreibfehler des Namens im Post des OB's ist in Anbetracht grammatischer und kulinarischer Eigenwilligkeiten der Imbissbetreiber nachvollziehbar.)
 
Über die Aktion berichten u.a. WDR (Messingschild weist Duisburg als Geburtsort der Currywurst aus), Rheinische Post (Duisburger Imbiss ist nun der offizielle Geburtsort der Currywurst), WAZ (Currywurst-Erfinder: Wird dieser Kult-Imbiss jetzt zum Denkmal?Deutschlands ältester Imbiss: So soll Currywurst-Kult weiterleben). Die WAZ berichtet in den Artikeln, dass inzwischen Aktivitäten stattfinden, um den Imbiss unter Denkmalschutz zu stellen.
 
 
Pusztetten 
 
Pusztetten.jpgPeter-Pomms-Pusztetten.jpgBerühmt wurde der Imbiss jedoch nicht durch Currywurst, sondern mit seinen Pusztetten, Hackfleischbällchen in einer mit Curry gewürzten Tomatensauce, eine Erfindung von Hildebrands Frau. Pusztetten und die Pusztettenstube würdigen das Portal Regionalverband Rhein-Ruhr (Peter Pomms Pusztettenstube) und ein Artikel der taz (Pommes-Promi Peter Pomm). Große Nachfrage regte zum Angebot dieser Köstlichkeit in Konserven an.
 
Pusztetten-Dinner
Pusztetten-DinnerFreunde haben kürzlich von einem Besuch in Marxloh Pusztetten mitgebracht. Obwohl eigener Verzehr Jahrzehnte zurückliegt, stellen sich bei der Verkostung sofort bekannte Aromen, aber auch spontane Veränderungsideen zur Aromatik ein. Vielleicht tragen auch Porzellangeschirr und Wein zum eigenen Eindruck bei. Pusztetten gehören in Pappschalen und werden mit Pommesgabeln gegessen. Typische Getränke sind Softdrinks oder Flaschenbier. Optimierungen von Geschmack und Konsistenz scheinen nicht beabsichtigt zu sein. Denkmäler verändert man nicht. Das Bewahren eines demnächst als Denkmal geschützten, erfolgreich derben und rustikalen traditionellen Geschmacksbilds verbietet Einwände. Pusztetten klingt jedoch für das Publikum gestelzt. Es spricht stattdessen von Pusztabällchen. Ohnehin macht sich kulinarische Raffinesse im Ruhrgebiet schnell als dekadenter Verrat am Klassenbewusstsein verdächtig. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen