Freitag, 23. März 2018

Kultur pur zum 40. Hochzeitstag in Völklingen, Saarbrücken, Karlsruhe, Frankfurt

Gänseleber im Nori-Algenblatt gegart mit karamelisierter Reisecreme & Korianderöl W. Kentridge, The Refusal of Time, Prologue, 2010/2011 Totenmmaske aus Kupfer und Muscheln der Gottheit Ai Apaec, Moche-Kultur, 100 - 800 n.C.

Unseren Hochzeitstag feiern wir alljährlich mindestens mit dem Besuch eines exzellenten Restaurants. Zum 40. Hochzeitstag darf es ein vom Guide Michelin mit 3 Sternen ausgezeichnetes Restaurant sein, „Eine der besten Küchen – eine Reise wert“. Wir entscheiden uns für das GästeHaus Klaus Erfort in Saarbrücken, das wir in bester Erinnerung haben.(1)
'Restaurant-Wallfahrten' benötigen ein Rahmenprogramm. Ende März ist in unseren Breiten die Natur bei unsicherer Wetterlage noch nicht erwacht, weshalb wir die Wanderschuhe zu Hause lassen und stattdessen ein 3-tägiges Kulturprogramm zusammenstellen, für das wir neben Saarbrücken die Städte Völklingen, Karlsruhe, Frankfurt am Main besuchen und dabei fast 800 km zurücklegen.


Ausstellung 'Inka - Gold.Macht.Gott' im Industriedenkmal Völklinger Hütte - Fotoserien: Völklinger Hütte - Inka-Ausstellung
Diadem eines Priesterfürsten, Moche-Kultur, 100-600 n. C. Sinteranlage Völklinger HütteGebläsehalle Völklinger Hütte

Unser erstes Zwischenziel im Saarland ist die bis zum 8. April 2018 verlängerte Ausstellung Inka - Gold.Macht.Gott im Industriedenkmal Weltkulturerbe Völklinger Hütte am Rand von Völklingen. In der Umgebung historischer Industriekultur präsentiert die Ausstellung in der Gebläsehalle(2) 220 Exponate zur Kultur der Inka und ihrer Vorgänger-Kulturen aus insgesamt 3000 Jahren Kulturgeschichte im Hochland der Anden. Der Kern-Bestand der Exponate stammt aus dem Larco Museum, Lima und Cusco in Peru. Objekte des Musée des Jacobins, in Auch (F), des Weltmuseums Wien und des Roemer- und Pelizaeus-Museums, Hildesheim, vervollständigen die Ausstellung. Da spanische Eroberer in ihrer Gier nach Edelmetallen mit dem Segen der Kirche südamerikanische Kulturen und deren Kultobjekte gründlich zerstörten, stammen alle Exponate aus späteren Gräberfunden.

Keramikgefäß der Cupisnique-Kultur 1500 - 100 v. C.Keramikgefäß der Moche-Kultur, 100 - 800 n.C.Schneckengefäß der Moche-Kultur, 100 - 800 n.C.

Besonders bemerkenswert sind hochwertige Keramiken der Macho-Kultur. Die Keramiken zeigen lebensnahe Darstellungen von Menschen, Tieren, Pflanzen, Dämonen, Alltagstätigkeiten, Liebesleben, Kriegen, Ritualen und Mythologien.(3) Ein Rundgang in den frei zugänglichen Teilen der historischen Industrieanlage schließt unseren Besuch ab.


GästeHaus Klaus Erfort, Übernachtung im Hotel Leidinger - Fotoserien: GästeHaus Klaus Erfort - Hotel Domizil Leidinger
Gästehaus Klaus ErfortGästehaus Klaus Erfort Die Umgebung des in einer Villa eingerichteten Restaurants ist keine Top-Adresse. Innerhalb des Hauses bewegen sich Gäste in einer eigenen Welt puristisch-luxuriöse Ausstattung, die nicht beeindrucken will und sich wie der entspannt agierende Service ohne Affektiertheit präsentiert. Bei Champagner, feinem Brotsortiment und französischer Butter entscheiden wir uns für das 5-gängige Menü mit Weinbegleitung.(4)


Gruß aus der Küche: Königskrabbenfleisch, Königskrabben-Ravioli, Petersilien-ChipsGruß aus der Küche Vor den Gerichten des Menüs grüßt die Küche in 3 Durchgängen. „Les Délices“ (5 Köstlichkeiten) wecken unsere Geschmackssinne. Dann folgt das „Goldene Ei", gefüllt mit Kartoffelmousseline, pochiertem Wachtelei und Périgord-Tüffel. Das Vorspiel beendet ein kunstvoll angerichteter Teller, auf dem Königskrabbenfleisch, Königskrabben-Ravioli und Petersilien-Chips mit feinster Marinade korrespondieren.

Nach einem beeindruckenden Auftakt beginnt unser Menü. Zu jedem der 5 Gänge schenkt Christian Amann einen perfekt auf die Gerichte abgestimmten Wein aus deutschen oder franzözischen Anbaugebieten ein.

Gänseleber im Nori-Algenblatt gegart mit karamelisierter Reisecreme & Korianderöl
Gänseleber im Nori-Algenblatt gegart mit karamelisierter Reisecreme & Korianderöl

Pilztarte mit Auberginenpüree & Trüffeljus
Pilztarte mit Auberginenpüree, Ibérico Schinken & Trüffeljus

Kabeljau mit Poweraden & Artischoken-Sud
Kabeljau mit Poweraden (Baby-Artischocken) & Artischoken-Sud

Brust und Keule von der Taube auf Holzkohle gegrillt mit Morcheln, Spitzkohl, Selleriepüree
Brust und Keule von der Taube auf Holzkohle gegrillt mit Morcheln, Spitzkohl, Selleriepüree

Delice vom heimischen Rhabarber mit Buchweizen & Champagner
Delice vom heimischen Rhabarber mit Buchweizen & Champagner

Eine analytische Beschreibung von Komposition und Aromatik der Gerichte oder Qualität und Zubereitung von Produkten erfordert sprachliches Repertoire und küchentechnisches Knwo-how. Unsere Fähigkeiten reichen für derartige Beschreibungen nicht aus. Wir müssten auf blumige Bilder und unsinnige Vergleiche ausweichen, wie sie zu unserem Verdruss Jakob Strobel Y Serra in der FAZ-Kolumne 'Geschmackssache' regelmäßig überstrapaziert. Also lassen wir das besser. Wir wissen jedoch, dass 'Küchenglück' in dieser Qualität und Intensität rar und darum kostbar ist. Außerdem wissen wir, dass unsere Beschränkung auf 5 Gänge eine gute Entscheidung war, denn die Portionen sind keineswegs winzig. Nach dem Dessert verspüren wir ein angenehmes Sättigungsgefühl, aber die zuletzt gereichten "Nos Petites Sucreries" können wir selbstverständlich nicht ignorieren. Unser Fazit: grandios, eine Reise wert!

Vom Restaurant erreichen wir nach 600 m Fußweg das Hotel Domizil Leidinger. Nach dem fulminanten Dinner passt gerade noch ein Schluck Wein an der Bar, ehe wir uns zur Bettruhe begeben. Wir kennen kein anderes Hotel, das zu einem vergleichbaren Preis einen vergleichbaren Komfort in einer derart angenehmen Atmosphäre bietet. Einrichtungsstil, Freundlichkeit des Personals und Qualität des Frühstücks sind wie für uns zugeschnitten. Bei jedem Besuch sagen wir uns, dass wir im Sommer nach Saarbrücken reisen sollten, um das Essen im Gästehaus Klaus Erfort auf der Terrasse einzunehmen und im Domizil Leidinger den Zen-Garten des Innenhofs nutzen zu können. Noch ist es beim Vorsatz geblieben, weil unsere sommerlichen Reisepläne bisher die Umsetzung verhindern. 


Etrusker-Ausstellung im Badischen Landesmuseum - Fotoserien: Schloss Karlsruhe - Schwarzwaldstube im Schlosshotel
Denkmal Karl Friedrichs von Baden vor Schloss Karlsruhe

Ausgeschlafen und nach einem ausgesprochen erfreulichen Frühstück reisen wir von Saarbrücken nach Karlsruhe zu unserem nächsten Ziel, der Sonderausstellung Die Etrusker - Weltkultur im antiken Italien im Badischen Landesmuseum (16.12.2017 - 17.06.2018). Das Museum ist im barocken Schloss Karlsruhe untergebracht, das ab 1715 als Residenz des Markgrafen Karl Wilhelm von Baden-Durlach errichtet wurde und bis 1918 als Residenzschloss der Markgrafen bzw. Großherzöge von Baden diente. Das Fotografieren ist in der sehenswerten, hochkarätigen Ausstellung nicht gestattet. Immerhin steht eine informative, gut gemachte Ausstellungs-Webseite bereit, die aber für das Verbot nicht entschädigt. Einen Überblick über die Ausstellung, die Kultur der Etrusker und die historische politische Bedeutung der Etrusker im Mittelmeerraum bietet ein Artikel von Tilman Spreckelsen in der FAZ: Die alte Spur lernt sprechen.(5)

Restaurant Schwarzwaldstube Für die Übernachtung in Karlsruhe haben wir im Schlosshotel Karlsruhe gebucht. Auch in diesem Hotel genießen wir angenehmen Komfort, aber der rustikale, altmodisch-plüschige Stil des Hauses bereitet uns keine Freude. Das Abendessen nehmen wir im Hotel-Restaurant Schwarzwaldstube ein (nicht zu verwechseln mit dem legendären Restaurant Schwarzwaldstube im Hotel Traube-Tonbach in Baiersbronn). Zum Preis von 35 € für ein dreigängiges Menü erwarten wir keine kulinarischen Höhenflüge, aber ein kleinerer Spielraum zu einer guten Küchenleistung hätte uns besser gefallen.
Passend zum Anlass erinnert 'Schwarzwald' an unsere bescheidene 'Hochzeitsreise', die wir vor 40 Jahren mit unseren zum gleichen Termin am gleichen Ort verheirateten Freunden unternommen haben, allerdings nicht nach Baiersbronn und schon gar nicht mit Übernachtung im Hotel Traube-Tonbach, sondern in das Dorf Hammereisenbach (inzwischen eingemeindet nach Vöhrenbach) mit Übernachtung in einem einfachen Dorfgasthaus, das damals Willi Ketterer betrieb und schon lange nicht mehr existiert. Übernachtungen im Hotel Traube-Tonbach und den Besuch des Restaurants Schwarzwaldstube holen wir 25 Jahre später anlässlich unseres Hochzeitstages nach.(6) 


William-Kentridge-Ausstellung im Liebieghaus in Frankfurt am Main
Plakat der Kentridge-Ausstellung an der Umzäunung des Liebieghauses

Nach einer Übernachtung unterbrechen wir die Rückreise aus Karlsruhe in Frankfurt am Main, um am Museumsufer im Liebieghaus die grandiose Ausstellung O Sentimental Machine zu besuchen. Über den Ausstellungsbesuch informiert ein separater Post: O Sentimental Machine - Wiliam Kentridge im Liebieghaus Frankfurt, 22.03.-26.08.2018


Anmerkungen
  1. Das Gästehaus Erfort gilt lt. Restaurant-Ranglisten als eines der weltbesten Restaurants.
    - Bewertung Guide Michelin - Wikipedia: Klaus Erfort  
  2. Die Gebläsehalle umhüllt riesige gasgetriebene Gebläsemaschinen, mit denen Hochöfen beatmet wurden.   
  3. Die Einordnung der kulturellen Bedeutung expliziter erotischer Darstellungen ist unsicher. 
  4. Nachdem der charmante Maître Jerôme Pourchère das GästeHaus Erfort verlassen hat, leiten seit dem 1. Juni 2017 Christian Amann und Pascal Morsch den Service gemeinsam und nicht weniger charmant.
    - Wochenmagazin Forum: Eine Chance für die Jugend
  5. Der Kontext einer Ausstellung der Staatlichen Antikensammlungen München veranlasste Tilman Spreckelsen 2015 zu einem weiteren informativen Artikel der FAZ über etruskische Kultur: Zeugnisse von bereichernder Migration
  6. Leidenschaft für Küchen- und Weinkultur haben wir nicht mit der Muttermilch aufgenommen. Der Beginn dieser Leidenschaft ist ziemlich scharf eingrenzbar. Zu Studenzeiten entdeckten wir während einer Reise an die französische Mittelmeerküste 1973 mediterrane Lebensart. Bis zu diesem Zeitpunkt dienten Mahlzeiten der notwendigen, möglichst schnellen und meistens billigen Nahrungsaufnahme und Sättigung. Dank des Erweckungserlebnisses begannen wir zu verstehen, dass eine zeitlich ausgedehnte mehrgängige Mahlzeit in der Gruppe wertvoller ist und mehr sein kann als das, was wir bisher kannten. Gemeinsame Mahlzeiten hatten den Charakter von Menschen verbindenden und Lebensfreude spendenden sozio-kulturellen Genußveranstaltungen, die hohe Produktqualitäten und kunstvolle Methoden ihrer Zubereitungen voraussetzten und von gezielt ausgewählten, i.d.R. trocken ausgebauten guten Weinen begleitetet wurden. Dieses Vorbild an Lebensart hat uns tief beeindruckt und dauerhaft infiziert. Die Umsetzung für den eigenen Lebensstil war unter studentischen Lebensbedingungen schwieriger als vermutet und konnte sich mangels Budget erst mit dem Eintritt in das Berufsleben auf Restauranterlebnisse stützen. Um Geschmackssinne, Produktkenntnisse und Küchentechniken zu entwickeln, bedurfte es einer langen Lernphase, in der wir Wolfram Siebeck, damals Schulmeister deutscher Küchen, zahlreiche hilfreiche Tips und Einsichten verdanken, die wir teilweise bis heute nutzen.
    - Wolfram Siebeck in der Zeitschrift ZEIT über französische und deutsche Küche: Zu viel Schwein
    - Wolfram Siebeck in der Zeitschrift ZEIT über deutsche "Plumpsküche": Einigkeit und Recht auf Eintopf
    - Nachruf zum Tod Wolfram Siebecks im Spiegel: Ein sehr undeutscher Gaumen

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