Freitag, 9. März 2018

Winzer-Champagner-Verkostung im Kölner Weinkeller

Winzerchampagner-Verkostung Kölner Weinkeller Als Club-Mitglieder des Kölner Weinkellers, Weinfachmarkt der REWE-Gruppe (1), genießen wir den Vorteil einer Einladung zur Verkostung von Winzer-Champagnern.(2) Die Veranstaltung ist für Club-Mitglieder kostenlos, aber wer teilnehmen möchte, muss schnell sein, weil im Verkostungsraum der Schatzkammer nur 24 Teilnehmer Platz finden. Wir sind schnell genug, um uns 2 Plätze zu sichern.
Überschwang, ein Sekt, den das Sekthaus Raumland exklusiv für den Kölner Weinkeller produziert, stimmt eintreffende Besucher auf die Veranstaltung ein. Geschäftsführer Andreas Brensing begrüßt die Teilnehmer, bevor die sympathische Sommelière Noreen Rudolph eine spannende 2-stündige Verkostung von 12 Winzer-Champagnern hoch kompetent, völlig uneitel und äußerst informativ moderiert.(3) - Fotoserie

Einführung 
Sommerlière Noreen Rudolph Ehe wir uns an die 'Arbeit' der Verkostung begeben, vermittelt Noreen Rudolph eine kleine Lektion nützlichen Grundwissens zu Region und Terroir der Anbaugebiete, Rebsorten des Champagners, Methoden des Ausbaus. Je nach Beschaffenheit von Böden dominieren die Rebsorten Pinot Noir (Spätburgunder), Pinot Meunier (Müllerrebe oder Schwarzriesling) oder Chardonnay. Weitere Rebsorten sind zugelassen, aber von Bedeutung ist lediglich noch Pinot Blanc (Weißburgunder). Erzeuger des Anbaugebietes Côte des Blancs produzieren vorzugsweise sortenreine Chardonnay-Champagner. Außerhalb dieser Region bestehen Champagner meistens aus mehreren Rebsorten.
Während große Handelshäuser ihre Champagner überwiegend aus diversen Grundweinen und Jahrgängen zusammenstellen, um einen von Terroir und Jahrgang unabhängigen, konstanten Geschmack zu erzielen, wollen Winzer-Champagner anders sein und setzen sich darum von 'industriellen' Methoden ab. Winzer-Champagner geben ihren Produkten individuellen Charakter, indem sie Terroir, Jahrgang und Rebsorten Raum lassen, Methoden des Holzausbaus für Grundweine nutzen und mit langen Lagerzeiten operieren.
Den Charakter eines Champagners beeinflussen Qualität, Reifezeit, Auswahl der Grundweine, Art und Herkunft des Holzes, Größe, Alter und Toastung von Fässern, Zeitpunkt der Degorgierung (Enthefung), Art der Dosage und Lagerzeit nach Degorgierung. Je nach Zusammenwirken von Parametern vermag ein Erzeuger aus der Rebsorte einer Einzellage deutlich unterschiedliche Champagner herzustellen. Das Flaschenetikett gibt bei Winzer-Champagnern detailliert Auskunft über Parameter des Ausbaus, jedoch nicht über die Zusammensetzung der Dosage. Abgesehen vom Zuckergehalt ist die Dosage ein Betriebsgeheimnis.

Basis-Informationen ergänzt Noreen Rudolph um bemerkenswerte Ansichten und Hinweise:
  • Nach der Degorgierung benötigt Champagner Ruhe- und Reifezeit. Darum ist bei hochwertigen Winzer-Champagnern der Zeitpunkt der Degorgation auf Etiketten angegeben. Champagner und Weine mit Entwicklungspotential dürfen im Kölner Weinkeller bei Bedarf reifen, ehe sie in den Handel gehen.
  • Champagner wird i.d.R. zu kalt getrunken. Bei zu tiefer Temperatur bleibt die Aromatik verschlossen.
  • Wie reifer Wein benötigt auch Champagner Luft, um sich zu entfalten. Im Vergleich zu Champagner-Gläsern sind Weingläser eine deutlich bessere Option. Champagner sollte einige Minuten vor dem Trinken in das Glas gefüllt und u. U. sogar dekantiert werden. Erst durch Schwenken des Glases breitet sich das volle Aroma aus. Verflüchtigung der Perlage durch Schwenken betrachtet Noreen Rudolph nicht als Nachteil.
  • Lange gereifte Champagner sind eher als Essensbegleiter geeignet. Die große Bandbreite von Champagnern macht es möglich, ein komplettes Menü mit unterschiedlichen Champagnern zu begleiten. 
  • Um Weinaromen differenziert identifizieren und beschreiben zu können, hilft ein geschärfter Geruchssinn. Der Geruchssinn ist lernfähig und lässt sich trainieren. Noreen Rudolph empfiehlt die Gewohnheit, in der Natur, im Garten und beim täglichen Umgang mit Küchenprodukten zu schnuppern und das Aroma der Produkte zu beschreiben.

Programm und Notizen der Verkostung 
Zur Verkostung hat Noreen Rudolph 6 Flights mit jeweils 2 Champagnern zusammengestellt (links und rechts). Die Verkostung je Flight beginnt immer mit dem linken Glas. Eine sinnvolle und faire Zusammenstellung von Flights erfordert kompetentes Fachwissen. Für Flights unserer Verkostung sind Aspekte von Anbaugebiet und Terroir, Jahrgängen und Ausbau maßgeblich.
Betriebe der vorgestellten Champagner hat Noreen Rudolph vor Ort besucht. Erzeuger der zur Verkostung anstehenden Champagner kennt sie persönlich. Im Verlauf des Abends berichtet Noreen Rudolph von launigen Begegnungen mit Winzer-Persönlichkeiten.

Winzerchampagner-VerkostungWinzerchampagner-Verkostung Winzerchampagner-Verkostung

Flight I
Im ersten Flight vergleichen wir 2 Chardonnay-Champagner, die sich hinsichtlich Holzausbau und Dauer der Hefelagerung unterscheiden.
Für beide Sorten können wir uns nicht begeistern. Wir vermissen den von Industrie-Chamapgnern geprägten Geschmack und Geruch, den wir als vermeintlich typisch für Chamapagner empfinden. Der 2006 Bulles de blancs von Pierre Brocard weckt Sherry-Assoziationen.

Flight II
In der zweiten Runde treten 2 Champagner des Erzeugers Jerome Dehours gegeneinander an.
Beide Produkte haben hohe Anteile Pinot Meunier und zeigen gewöhnungsbedürftigen individuellen Charakter. Noreen Rudolph beschreibt den Terre de Meunier Extra Brut mit Aromen von Anis und Lakritze, die wir nicht nachvollziehen können. Offensichtlich fehlt uns das notwendige Training.

Flight III
Die dritte Runde präsentiert 2 brut nature ausgebaute Champagner.
Messerscharf, vital, säurebetont, "lecker"

Flight IV
Mit beiden Produkten könnten wir uns mit ein wenig Übung anfreunden.

Flight V
Winzerchampagner-VerkostungIn der fünften Runde sind die Spitzenprodukte der Verkostung erreicht.
Beide Produkte sind hoch komplex. Sie zeigen mosige, erdige, ledrige Noten und eigenen sich als Essensbegleiter zu Pilzen, Rote Bete, Kalbssteak. Dass es sich um Champagner handelt, muss man uns schon sagen. Alleine wären wir nicht darauf gekommen, weil der Geschmackseindruck in keine unserer Schubladen passt.

Flight VI
Die letzte Runde vergleicht zwei Rosé-Champagner.
Vergleichsweise handelt es sich um eher unkomplizierte Sommerweine, die trotzdem Vielschichtigkeit, Frische, fruchtige Aromatik und florale Noten gefällig einbinden. Beide Produkte gefallen uns.


Fazit
Heute haben wir viel gelernt. Individualität und Charakter von Winzer-Campagnern lassen sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner reduzieren. Winzer-Champagner will nicht nur anders sein als Champagner von Handelshäusern, er ist anders. Wir haben mehr gelernt:
  • Die uns bisher bekannten Champagner repräsentieren ein mengenmäßiges zwar großes, aber qualitativ nur kleines Segment Champagner-Welt. 
  • Die Komplexität von Champagnern ist uns in der Vergangenheit entgangen.
  • Der Genuss von Winzer-Champagnern macht Grenzen unserer Wein-Kompetenz deutlich.
In Anbetracht der Komplexität der Produkte lässt sich Versäumtes nicht an einem Abend nachholen, aber ein Anfang ist gemacht. Selbst wenn es keine Fortsetzung gäbe, nehmen wir gelernte Lektionen gerne mit, trinken und schmecken Champagner zukünftig anders als vor diesem Abend, werden in Natur und Küche intensiver und analytischer schnuppern als zuvor und behalten den Abend als ebenso instruktives wie unterhaltsames Vergnügen in Erinnerung.


Anmerkungen
  1. Im mehrfach durch Fachmedien ausgezeichneten Kölner Weinkeller lagern auf 3.000 Quadratmetern ca. 3.500 - 4.000 Weine in ca. 160.000 - 180.000 Flaschen.
  2. Das Gebiet der Champagne umfasst ca. 33.500 Hektar Weinbaufläche, die von ca. 15.700 Winzern bewirtschaftet wird. Ca. 2.000 Winzer bauen als RM (Récoltant manipulant) eigenes Traubenmaterial aus und vermarkten es selbst. Weitere ca. 2.750 Winzer überlassen als RC (Récoltant coopérateur) ihr Traubenmaterial einer Genossenschaft zum Ausbau und vermarkten die Flaschen als eigene Champagnermarke. - Champagner-Winzer-Datenbank 
    Ca. 250 Unternehmen mit Status NM (Négociant manipulant) betreiben als Handelshäuser den Ausbau und die Vermarktung von Champagner. Viele Handelshäuser besitzen eigene Weinberge (insgesamt ca. 4.000 Hektar), sie kaufen aber auch in erheblichem Umfang Traubenmaterial zu. - Übersicht der wichtigsten Champagner-Häuser
  3. Der Busche Verlag (Schlummer- und Schlemmer Atlas) kürte Noreen Rudolph zur Sommelière des Jahres 2011 und zeichnet sie seit 2012 als Schlemmer Atlas Top50 Sommeliers aus. 
  4. Jerome Coessens ist ein Kleinwinzer mit nur einer Lage von 3 Hektar, auf der er ausschließlich Pinot Noir anbaut und diesen zu verschiedenen Champagner ausbaut. Die Jahresproduktion beträgt ca. 20.000 Flaschen. Webseite: Champagne Coessens

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