Dienstag, 8. Juni 2021

Andy Warhol Now - Retrospektive im Museum Ludwig, Köln, 12.12.2020 - 13.06.2021

Installationsansicht, Andy Warhol Now, Museum Ludwig, Köln, 2021 Installationsansicht, Andy Warhol Now, Museum Ludwig, Köln, 2021 Museum Ludwig, Köln
 
Andy Warhol: Self-Portrait, 1986 Man muss Andy Warhol (1928 - 1987) nicht mögen und seine Arbeiten nicht lieben, um anzuerkennen, dass er zu den bedeutendsten Künstlern der Avantgarde des 21. Jahrhunderts zählt und seit Jahrzehnten als musealer Klassiker postmoderner Ästhetik gilt. Radikaler als Marcel Duchamp und Dada bewies Warhol die prinzipielle Kontingenz von Kunst. Warhol trivialisierte Kunst durch Ästhetisierung des Trivialen, entblößte den Doppelcharakter von Kunst als Fetisch (heiliges Objekt) und als Ware (Handelsobjekt), erschloss Optionen neuer ästhetischer Ausdrucksweisen, erfand sich wie ein Chamäleon ständig neu und blieb dabei stets als Warhol identifizierbar. Als Geistesverwandte teilten Warhol und der 'Kunst-Schamane' Joseph Beuys gegenseitige Wertschätzung. - Fotoserie des Besuchs
Obwohl Warhol selbst als scheu, undurchsichtig, introvertiert, hypochondrisch, voyeuristisch, schwul galt, bildete er ein Kraftzentrum des internationalen Jetsets und derjenigen, die sich selbst als Nabel der Welt und Spitze der Avantgarde verstanden oder entsprechend hofiert wurden. Ohne Scheu betrieb Warhol 'Kunst-Prostitution'. Wer sich für wichtig hielt und genug Geld zahlte, konnte sich portraitieren oder Objekte bemalen lassen. Warhol nahm lediglich Polaroid-Fotos auf. Umsetzungen als Siebdruck oder in anderen Techniken übernahmen Assistenten seiner Factory, die Kunst seriell industrialisierte und vermarktete.

Die aktuelle Retrospektive Andy Warhol Now zeigt ikonographische Exemplare der unüberschaubaren und bis heute nicht vollständig erschlossenen Arbeiten des Warhol-Imperiums. Die Werkreihe der Ausstellung gastierte bereits in der Lon­don­er Tate Mod­ern (12. März – 15. Novem­ber 2020), ehe sie im Köl­n­er Museum Ludwig anlandete (*). Weitere Sta­tionen der Ausstellung sind die Art Gallery of On­tario in Toron­to und das As­pen Art Mu­se­um in Col­o­ra­do. 
 
In Köln war die Ausstellung kaum eröffnet, als die Corona-Pandemie zuschlug und Lockdowns jeden Museumsbesuch verhinderten. Die fallende Inzidenz macht seit einigen Tagen vorsichtige Öffnungen mit Einschränkungen möglich. Montags sind Kölner Museen für die Öffentlichkeit geschlossen. Als Mitglieder der Museumsfreunde Köln genießen wir den Vorteil einer exklusiven Öffnung der Ausstellung für 'Freunde', die in viertelstündigen Zeitfenstern in kleinen Gruppen Einlass erhalten. Während in Foyers ausgestellte Objekte das Potential des Museums Ludwig sichtbar machen, sind über diese Ausstellung hinaus Räume der Museumssammlung am Montag geschlossen. Den Besuch bereuen wir nicht. Wer sich für diese sehenswerte Ausstellung interessiert, muss sich beeilen! 
 
Was Kunst ist oder bedeutet, erklärt die Ausstellung nicht, aber sie macht Codes und ihre Dechiffrierung transparent. Kunst enthält keine immanente Wahrheit von Objekten. Im Kontext von Zuweisungen symbolischer Konnotationen transformiert öffentliche Wahrnehmung erst Objekte in Kunst. Nichts währt ewig. Der Wert von Kunst ist verderblich. Kunst ist als Kulturprodukt das, was soziale Milieus als Kunst deklarieren. Wertvorstellungen variieren mit sozialen Milieus und über Zeit. Wer einem sozialen Milieu nicht angehört, teilt zumindest partiell andere Wertvorstellungen. So unterschiedlich wie soziale Milieus ist ihre jeweilige Kunst. Mit kultureller Dynamik verändern sich soziale Milieus und Verständnisse von Kunst. Kunst ist nicht abschließend definierbar, weil sie Anpassungsprozessen unterliegt und immer wieder neu definiert wird.

(*) Ausstellungs-Besprechungen

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