Samstag, 31. Mai 2014

Konzert des Jahres mit Nils Petter Molvær, Trio Elf und Le Bang Bang auf dem Jazzfest Bonn

Nils Petter Molvær Band auf dem Jazzfest Bonn
Seit sich Nils Petter Molvær mit seinem epochalen Debut-Album 'Khmer' (ECM, 1997) aus der norwegischen Regionalliga geradewegs in die musikalische Weltliga spielte und dabei Grenzen zwischen musikalischen Genres neu bestimmte, verfolgen wir fasziniert die künstlerischen Stationen des norwegischen Trompeters. Mit dem Material seines aktuellen Albums 'Switch' (OKeh, 2014) und einer neu formierten Band führt Nils Petter Molværs Route der laufenden Europatournee über das Jazzfest Bonn. Für uns bietet sich endlich eine Gelegenheit, Nils Petter Molvær auf einem seiner legendären Konzerte live zu erleben. Eine Kröte müssen wir jedoch schlucken: Nils Petter Molvær spielt im Rahmen eines Triple-Konzertes, das neben dem Top-Act die uns nicht bekannten Formationen Trio Elf und Le Bang Bang bestreiten. Dieses Format ist uns von etlichen Besuchen der Leverkusener Jazztagen gründlich verleidet. Vor dem Auftritt der Hauptattraktion sind regelmäßig uninteressante Formationen und ermüdende Umbaupausen zu ertragen. Entsprechend skeptisch fahren wir zum Jazzfest Bonn. Vor Ort kommt alles anders. Wir treffen auf eine von der ersten bis zur letzten Minute gelungene und oft auch beglückende Veranstaltung, die ältere Erfahrungen nicht fortschreibt. Diashow der Fotoserie

Telekomforum Bonn
Das Konzert findet in der Veranstaltungshalle des Telekom Forums Bonn statt. Für ein Jazzfestival mag die Umgebung steril erscheinen, der Veranstaltungsort bietet jedoch eine perfekte Infrastruktur, gute Akustik, bequeme Bestuhlung und angenehme Klimatisierung. Trotz relativ günstiger Preise ist die Veranstaltung nicht ausverkauft, was möglicherweise auf das lange Wochenende mit Brückentag zurückzuführen ist.
Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer des Jazzfestes Bonn ist kein geringerer als der renommierte deutsche Jazzsaxophonist Peter Materna.

  







Le Bang Bang auf dem Jazzfest Bonn
Der Konzertabend beginnt mit dem Duo Le Bang Bang, das die Sängerin Stefanie Boltz und der Kontrabassist Sven Faller bilden. Die Kombination von Bass und Gesang liegt nicht gerade auf den von uns bevorzugten Tonspuren, aber die vorgestellten Coverversionen von Titeln, die von Billie Holiday bis zur Gegenwart reichen, gefällt auch uns. Der große Funke springt jedoch nicht auf das Publikum über. Die letzte Nummer des Duos interpretiert Nirvanas Song 'Smells Like Teen Spirit'. Ähnlich wie bei José Felicianos Interpretation von 'Light my Fire' der Doors bleibt das Stück identifizierbar, verändert aber vollständig seinen Charakter. Jede Bewertung ist natürlich subjektiv. Wir ziehen das Original vor.
Das Arrangement leitet in ein spannendes Solo des Bassisten Sven Faller über. Stefanie Boltz verlässt die Bühne, während Sven Fallers Partner des Trio Elfs die Bühne betreten, ihre Instrumente besetzen und das Triospiel aufnehmen.



Kontrabasssolo von Sven Faller

Inzwischen ist es uns fast schon peinlich, das bereits seit 11 Jahren bestehende und international erfolgreiche Trio Elf und seine 4 CD's bisher nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Gerwin Eisenhauer (Schlagzeug), Walter Lang (Piano) und Sven Faller (Bass) spielen überwiegend Eigenkompositionen und begeistern uns mit ihrem variantenreichen Akustikjazz, der Elemente von House einbezieht und als tanzbare Clubmusik konzipiert ist. Wie diese Idee umgesetzt wird, dokumentiert das Stück 'Hammer Baby Hammer'.



 'Trio Elf' spielen 'Hammer Baby Hammer'


Trio Elf und Stefanie Boltz nehmen den Applaus in Empfang
Das Publikum dankt dem Trio mit frenetischem Applaus, zu dem wir überzeugt unseren Anteil betragen. An der fälligen Zugabe beteiligt sich Stefanie Boltz als Sängerin. Noch einmal spendet das Publikum vor der halbstündigen Pause großen Applaus.











Trio Elf und Stefanie Boltz signieren CD's
Während der Pause signieren die Mitglieder von Trio Elf und Stefanie Boltz im Foyer CD's. Der Andrang ist groß. Wir reihen uns trotzdem ein und erstehen die CD 'Amsterdam' (Enja, 2013) mit Live-Aufnahmen des Trios, von denen heute einige Titel vorgetragen wurden. 











Nils Petter Molvær Band auf dem Jazzfest Bonn
Nils Petter Molvær hat wieder einmal die Besetzung seiner Band gewechselt und tritt heute in einem Quartett auf. Aus der Formation, die 'Baboon Moon' (Sony, 2011) einspielte, wirkt neben dem Meister nur noch der Schlagzeuger und Perkussionist Erland Dahlen mit. Multiinstrumentalist Geir Sundstol ist auffälligster Mitspieler der aktuellen Formation und überzeugt an seiner double neck Pedal-Steel-Gitarre ebenso wie mit seinem Banjo- und Mundharmonikaspiel. Bassist Jo Berger Myhre komplettiert das Quartett mit komplexem und oft elektronisch variiertem Spiel an einem sechseitigen Fender-Bass. Das Quartett eröffnet sein Konzert mit dem Titel 'Switch' aus dem gleichnamigen aktuellen Album (nachfolgender Clip). Eine Lichtshow auf der großen Videowand begleitet das Konzert.






Nils Petter Molvær Band spielt 'Switch'

Nicht alle Titel des aktuellen Albums 'Switch' (OKeh records, 2014) stimmen uns euphorisch, aber in der weiteren Abfolge des Konzertes streift die musikalische Reise der Band uns versöhnende Stücke älterer Alben. Lyrische Passagen, die in Besprechungen gerne unter Ambient eingeordnet werden, wechseln mit brodelnden Rhythmen und eruptiven Ausbrüchen. Nils Petter Molvær bleibt immer souveräner Herr eines Geschehens, das mit elektronischen Effekten und rhythmischen Beats über Grenzen musikalischer Genres hinweg in einem musikalisches Niemandsland agiert. Die Frage, ob diese Art von Musik 'Jazz' zu nennen ist, interessiert Nils Petter Molvær nicht. "Für mich gibt es diese Grenzen (gemeint sind Abgrenzungen zwischen Klassik, Pop und Jazz) eigentlich nicht, wenn etwas gut ist. Ob es Neal Young, Bach oder Tayler ist, es kommt auf das Gute an, auf die Extreme", erklärt Nils Petter Molvær in einem Interview mit der Jazzzeitung. Wer von Nils Petter Molværs Musik nicht fasziniert ist, lehnt sie ab. Argumente lassen sich immer finden. Wer sich auf diese Musik einlassen kann, verspürt eine besondere Magie, die natürlich nicht nur schmeichelt oder nur Wohlgefallen auslöst, sondern, wie jede Avantgarde, auch polarisiert und provoziert. Eine Antwort auf die Frage "Was ist Jazz?" bietet die Webseite des Veranstalters unter dem Stichwort 'Philosophie'.



Nils Petter Molvær Band auf dem Jazzfest Bonn


Etwas mehr als eine Stunde spielt die Band vier großer Musiker ohne Pausen oder Ansagen und fügt ihre Stücke nahtlos aneinander. Besonders auffällig spielt sich neben Nils Petter Molvær der Multiinstrumentalist Geir Sundstol in den Vordergrund und setzt in diesem Konzert zahlreiche bemerkenswerte Akzente. Tosender Applaus des Publikums belohnt das grandiose Konzert. Die Musiker bedanken sich mit einer Zugabe (nachfolgender Clip) und signieren anschließend CD's im Foyer. Die aktuelle CD würden wir natürlich mit den Autogrammen der Musiker erstehen, aber das mitgeführte Kleingeld reicht nicht aus.



Zugabe der Nils Petter Molvær Band auf dem Jazzfest Bonn

Beschwingt und inspiriert treten wir bestens gelaunt die Rückfahrt nach Köln an und sind uns einig, heute das persönliche Konzert des Jahres erlebt zu haben. Das Jahr hat zwar noch nicht seine Mitte erreicht, aber für Steigerungen bleibt nur noch wenig Luft. Zu Hause wird sogleich der Newsletter des Jazzfestes Bonn abonniert und die aktuelle CD 'Switch' (OKeh records, 2014) bestellt.


Artikel zu Nils Petter Molvær

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