Sternmotor / Monstranz |
documenta-Halle mit Werken von Thomas Bayrle |
Die aufgeschnittenen Motoren zeigen ihr Innenleben um den Preis des Verlustes ihrer Funktionsfähigkeit. Dass Kolben, Pleuel und Ventile sich trotzdem im Takt bewegen, verdanken die Motoren elektrischen Hilfsmotoren. Motorengeräusche und Litaneien kommen aus der Konserve. Ästhetisch eindrucksvoll ist diese Motorenanatomie im Kontext einer Kunsthalle allemal. Aber was will sie uns sagen? Link: Diashow Fotos 'dokumenta-Halle'
"Ich traue mich diesmal etwas, das ich schon lange mit mir rumgetragen habe: Ich habe vor 45 Jahren ja schon einmal Maschinen gebaut. Das maschinenhafte hat mich immer interessiert. Es kommt aus meiner Zeit als Weber, als ich im Praktikum in Süddeutschland in der Fabrik gearbeitet habe. Und das greife ich jetzt wieder auf. Ich will verdeutlichen, dass ich die Gegensätze nicht teile, dass sich Meditation und Maschinenwelt ausschließen. Das ist ja schon durch die Techno-Szene widerlegt. Es liegt nah beieinander, es vermischt sich. Es berührt sich.
Mir geht es dabei auch nicht um Späßchen oder so. Es geht mir darum zu zeigen, dass die Maschinenrealität nicht gut oder schlecht, sondern eine historisch gewachsene Realität in Europa ist. Sie ist aus der Gotik entstanden. In der Gotik sind die Dome zum ersten Mal an verschiedenen Bauplätzen entstanden. Vorher gab es eine Bauhütte, die an einer Stelle war. In der Gotik fängt die Arbeitsteilung in verschiedene Funktionen und das Zueinanderführen von Fertigteilen an. Heute erfährt das in der Autoindustrie eine besonders deutliche Metapher – daher die Motoren."
Assoziationen stellen sich ungerufen ein und sind nicht zu widerlegen. Sie gehören der subjektiven Wahrnehmung. Während Joseph Beuys in einer schamanisch, esotorischen Weltsicht eine gewisse Allgemeingültigkeit seiner Symbole reklamiert, die sich allerdings einer kulturell überformten Wahrnehmung nicht leicht erschließt, bleibt Thomas Bayrle vorsichtig. Ob und welche Relevanz die eigene Wahrnehmung für Andere hat, lässt sich nicht vorgeben, sondern bestenfalls empfehlen. Thomas Bayrle erläutert seine Motivation und liefert Argumente für seine Sichtweise, die man teilen oder ablehnen kann.
Thomas Bayrle, Flugzeug |
Thomas Bayrle, Flugzeug (Details) |
Die gegenüberliegende Wand füllt das monumentale Papprelief 'Carmageddon', das Rätsel aufgibt. Rose-Maria Gropp weiß mehr. In einem Artikel der FAZ vom 5.06.2012 erfahren wir:
Thomas Bayrle, Carmageddon |
Thomas Bayrle, Carmageddon (Details) |
'In Search of Vanished Blood' - Nanani Malani
Als 'Video/Schattenspiel' bezeichnet die pakistanische Künlerin Nalani Malani ihre Installation in einem kleinen Raum, der wie eine Abstellkammer hinter der Halle mit den Arbeiten Thomas Bayrles wirkt. Nanani Malanis Installation wirkt auf dem ersten Blick weniger spektakulär als Thomas Bayrles motorgetriebene Gebetsmühlen, wer sich jedoch auf diese Installation einlässt, begibt sich auf den spannenden Parcours einer audiovisuell interpretierten literarischen Klanglandschaft.Der Titel 'In Search of Vanished Blood' zitiert das Gedicht 'Das Schattenbild des Rebellen' des pakistanischen Dichters Faiz Ahmed Faiz. Malanis Arbeit bezieht sich darüber hinaus auf Christa Wolfs "Kassandra" und Rainer Maria Rilkes Roman "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge". Für die Klanglandschaft entlehnte Malani Passagen aus Heiner Müllers "Hamletmaschine", aus Samuel Becketts "Das letzte Band" sowie aus Mahasweta Devis Kurzgeschichte "Draupadi".
Autodestruktive Kunst von Ludwig Metzger
Gemälde von Ludwig Metzger |
Verdeckte Vitrinen mit 'Steel Paintings' |
Gustav Metzger ist in einer orthodoxen jüdischen Familie aufgewachsen. Eltern und Geschwister sind umgebracht worden, während er durch eine Rettungsaktion des 'Refugee Children Movements' in England überlebte und dort Kunst studieren konnte. Das Destruktionspotenzial des 20. Jahrhundert macht Gustav Metzger aufmerksam auf Destruktion als Prinzip von Kunst. Er entwickelt Ideen einer "autodestruktiven Kunst", zu der wir ein Statement von ihm finden:
"Das Verschwinden ist eben ein Zeichen der Möglichkeit, dass wir nicht immer nur wachsen müssen. Das Verschwinden ist symbolhaft für das, was sein sollte. Dass man Verständnis hat für Leben ohne endloses Wachstum."
Mit den in den 50er Jahren erstellten 'Steel Paintings' realisiert Gustav Metzger "autodestruktive" Arbeiten. Von den verwendeten Materialien seiner Werke muss sich innerhalb von 20 Jahren eines selbst zerstören und damit das Kunstwerk verändern.
Ludwig Metzgers Arbeiten stehen natürlich in einem krassen Gegensatz zu einer Kunst, die Dauerhaftes erschaffen will. Ludwig Metzgers Gedanken erscheinen jedoch in der Gegenwart aktueller denn je. Sie sind visionär.
'Limited Art Project' von Yan Lei
Yan Lei, "Limited Art Project" |
Yan Lei, "Limited Art Project" |
Hm, hätte ich nicht gedacht. Interessant, aber weniger überzeugend als eine weitere Deutungsebene die hier sichtbar gemacht wird, nämlich die Allmacht der Autoindustrie. Gesponsert wird diese Arbeit nämlich vom VW-Werk, das sich offensichtlich positive Effekte für sein 'Branding' verspricht.
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