Samstag, 23. Oktober 2021

Besichtigung der romanischen Kirche Alt St. Stephan (Krieler Dömchen) in Köln Lindenthal

Nordseite Alt St. Stephan, rechts die ehemalige Krieler Zwergschule Südseite Alt St. Stephan mit Kirchhof (Turm der Kirche St. Albert Magnus im Hintergrund) Süd- und Ostseite mit Apsis Alt St. Stephan mit Kirchhof
 
Die Bezeichnung Krieler Dömchen für die kleine romanische Kirche in Köln-Lindenthal ist eine typische Übertreibung Kölner Mentalität, die mittels legendenhafter Biographie des Hildebold von Köln narrative Konnotationen zwischen dem Krieler Dömchen und dem Kölner Dom herstellt. Hildebold soll Pfarrer dieser Kirche gewesen sein, ehe ihn Karl der Große entdeckt habe, zum Bischof von Köln machte und ihn mit dem Bau des Hildebold-Doms (Vorgängerbauwerk des gotischen Doms) beauftragte.(1) Bei genauerer Betrachtung kommt Hildebold als Bauherr des Doms nicht in Frage, weil er 818 verstarb, einige Jahrzehnte vor Baubeginn des Hildebold-Doms.(2) Ob Hildebold tatsächlich Pfarrer des Krieler Kirchleins war und Karl der Große ihn dort zufällig traf, ist historisch nicht zu belegen und daher als Verzällcher kölscher Phantasie einzuordnen. So gesehen handelt es sich um eine Lappalie, wenn Hildebold nie heilig gesprochen wurde, aber als Heiliger aufgeführt ist und der fehlende Name in historischen Aufstellung als Irrtum von Bollandisten erklärt wird.(3)
 
Die Kirche ist dem Märtyrer St. Stephanus geweiht, heißt daher offiziell Alt St. Stephan und zählt zu den 13 kleinen romanischen Kirchen auf Kölner Stadtgebiet.(4,5) Mit Ursprüngen im 10. Jahrhundert oder früher gilt das Krieler Dömchen als zweitälteste Kirche auf Kölner Stadtgebiet und findet daher Beachtung.(6) Bis 1886 war das Krieler Dömchen Pfarrkirche im Weiler Kriel, der nur aus wenigen Häusern in der Umgebung eines Hofguts bestand. Der bis 1869 genutzte Kirchhof der Pfarrkirche ist eine der ältesten Begräbnisstätten Kölns. Wer sich mit der Historie dieser auf dem ersten Blick eher unscheinbaren Kirche beschäftigt und Lesearbeit nicht scheut, unternimmt eine spannende Zeitreise durch Rheinische Geschichte im Raum Köln. - Fotoserie
 
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  1. Einordnung der Bedeutung Hildebolds im LVR-Portal Rheinische Geschichte: Reichspolitik der Kölner Erzbischöfe im Mittelalter: Hildbold
  2. Der Hildebold-Dom wurde auf Fundamenten von Vorgängerbauten errichtet, die bis zur Römerzeit zurückreichen. Der Baubeginn des Hildebold-Doms ist nicht exakt bekannt. Ein Beginn um das Jahr 850 gilt als wahrscheinlich, zur Zeit von Erzbischof Gunthar. Vorsichtig formuliert war Gunthar umstritten und wurde im Jahre 863 exkommuniziert. Vermutlich war Gunthar als Bauherr und Namensgeber unerwünscht, weshalb der Kirchbau Hildebold zugeschrieben wurde.
    - Wikipedia: Hildebold-Dom - Kölner Dom
  3. Stadlers vollständiges Heiligenlexikon: Hildebold von Köln
  4. Förderverein romanische Kirchen Köln: Kleine Kirchen: Alt St. Stephan in Lindenthal 
  5. Aufstellung eigener Posts zu besuchten romanischen Kirchen im Raum Köln: Besichtigungen romanischer Kirchen im Raum Köln
  6. Online-Artikel zu Alt St. Stephan:

Kurze Zeitreise von der Antike bis zur Gegenwart durch die Krieler Region
 
Karte von Jean Joseph Tranchot, 1807, Detail Mairie EfferenHogenberg, Abraham, Cöllnischer Schweidt, Kupferstich, nach 1609, Detail westliche Kölner Vororte
Links:
Abraham Hogenberg, Cöllnischer Schweid, Kupferstich, Köln, nach 1609,
 
Rechts:
Karte von Jean Joseph Tranchot, 1807,
Mairie Efferen, (Ausschnitt aus)
 
  • Zur Römerzeit zählte das Gebiet um Kriel zur Kornkammer der römischen Hauptstadt Colonia Claudia Ara Agrippinensium. In der Region bestanden außerdem mehrere Ziegeleien, die Bedarf des römischen Baubetriebs versorgten. Westlich von Köln lagen mehrere römische Landgüter (Latifundien), aus denen nach der Römerzeit Hofgüter hervorgingen.(1)
  • Als Herrlichkeit war Kriel (auch "Crele" oder "Kreylle") kurkölner Verwaltungssitz und Gerichtsort.(2) Aufgrund einer von Erzbischof Gunthar 866 vorgenommenen Güterumschreibung (oder Zuschreibung) kurkölner Güter gelangten Hofgut und Weiler Kriel in den Besitz des reichen Kölner Stiftes St. Gereon.(3,4,5) 
  • Im 15. Jahrhundert wurde das Krieler Hofgericht zurück nach St. Gereon verlegt.(6)
  • Im Kontext der Säkularisation des linksrheinischen Gebiets durch französische Revolutionstruppen unter Napoleon fasste die französische Administration westlich von Köln liegende Dörfer, Weiler, Hofgüter zur Gemeinde Kriel nach französischem Vorbild zusammen und unterstellte diese der Mairie (Bürgemeisterei) Efferen.(7,8) 
  • Nach den Befreiungskriegen beschloss der Wiener Kongress (1814/15) eine Neuordnung des europäischen Staatensystems. Gebiete entlang des Rheins kamen 1815 unter preußische Verwaltung.(9) Diese bildete 1816 den Landkreis Köln, der zunächst die unter französischer Besetzung entstandene Regionalordnung beibehielt. 
  • 1831 hatte der Weiler Kriel 19 Einwohner.(10)
  • 1836 erhielt Kriel eine Zwergschule mit einem Klassenraum für 22 Kinder.(10)
  • Mit der Einführung einer neuen preußischen Gemeindeordnung ging 1846 die Gemeinde Kriel in die neu gebildete Gemeinde Lindenthal auf.(11) 
  • Unter preußischer Herrschaft wurde die mächtige Kölner Stadtbefestigung ab 1881 niedergelegt.(12) 1888 unterzeichnete Kaiser Wilhelm I. einen Eingemeindungsvertrag zwischen Köln und Gemeinden der Umgebung. Köln wurde zur Großstadt und Lindenthal mit Kriel ein Kölner Ortsteil.(13,14) Zu diesem Zeitpunk lebten im Weiler Kriel 126 Einwohner.(15) 
  • Das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche liegende historische Hofgut Kriel wurde 1926 abgerissen. Das Gebäude der ehemaligen Zwergschule ist in seiner Bausubstanz bis heute erhalten und befindet sich in privatem Besitz.(16)
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  1. Wikipedia: Kriel und Lind: Die Römerzeit
  2. Wikipedia: Hohe Herrlichkeit
  3. Die Stiftsgüter von St. Gereon umfassten Kriel, Müngersdorf, Mechtern, Bickendorf, Merheim, Fühlingen und Rheinkassel. Die Güterumschreibung nahm der Kölner Erzbischof Gunthar vor, nachdem ihn Papst Nikolaus I. wegen Gunthars Zustimmung zur Ehescheidung von König Lothar II. 863 abgesetzt und exkommuniziert hatte und Gunthar im Kampf um seine Rehabilitation Unterstützung benötigte. Die Wiedereinsetzung bewirkte Gunthar erst 869 beim Nacholger, Papst Hadrian II..
    Die Güterumschreibung von 866 gilt als ein Meilenstein in der Kölner Bistumsorganisation. - LVR: Portal Rheinische Geschichte: Gunthar, Erzbischof von Köln (850-863)
  4. Post zu St. Gereon: Führung in der Kölner romanischen Kirche St. Gereon
  5. Stadt Köln: Köln - die Stadt der Veedel
  6. Wikipedia: Krieler Dömchen
  7. LVR - Portal Rheinische Geschichte: 1794 bis 1815: Aufbruch in die Moderne. Die "Franzosenzeit" 
  8. Wikipedia: Kriel und Lind: Kriel und die französische Zeit
  9. LVR - Portal Rheinische Geschichte: 1815 bis 1848: Vom Wiener Kongress zur Revolution
  10. LVR KuLaDig: Krieler Dömchen
  11. Wikipedia: Kriel und Lind: Gründung Lindenthals 1846
  12. Wikipedia: Stadtmauer Köln
  13. Kölner Stadt-Anzeiger: Der lange Weg bis zur Stadt Köln 
  14. Wikipedia: Rheinprovinz
  15. LVR KuLaDig: Krieler Dömchen
  16. Wikipedia: Kriel und Lind: Kriel und die französische Zeit
 
 
Baugeschichte, Architektur und Verzällcher

Turm und Westportal Alt St. Stephan Zweischiffige Saalkirche Alt St. Stephan Südseite Alt St. Stephan mit Kragsteinen für das Dach eines angrenzenden Hofgerichts
 
Bereits im 8. Jahrhundert stand an diesem Platz wahrscheinlich eine Holzkirche, die vermutlich im 9. Jahrhundert in einem der Normannenstürme vernichtet wurde.(1) Gemäß Legende predigte der spätere Kölner Erzbischof Hildebold in der Krieler Kapelle, als ihn Karl der Große zufällig dort wahrnahm. Karl war von der Persönlichkeit Hildebolds tief beeindruckt und machte ihn 787 zum Bischof von Köln.(2,3)
 
Die Baugeschichte des zweischiffigen Steingebäudes der kleinen Saalkirche setzt um das Jahr 900 ein und umfasst bis Mitte des 13. Jahrhunderts 4 Perioden. Zuletzt wurden im 13. Jahrhundert dem Chor eine Apsis hinzugefügt und der Westturm angebaut. Änderungen nachfolgender Jahrhunderte sind weniger bedeutend.(4)

Die Kirche steht auf Fundamenten aus römischen Ziegeln. Im Mauerwerk der Kirche sind ebenfalls römische Ziegel verbaut. Aus der südlichen Außenwand der Kirche ragen 4 Konsolen, die wahrscheinlich das Dach einer Gerichtslaube trugen.
 
Grabstein von 1658 in einer vermauerten Rundbogentür und 2 romanische Memoriensteine in der Mauer der Südseite Frühchristliche Memoriensteine in der Mauer der Südseite von Alt St. Stephan Frühchristlicher Scheitelstein mit Kreuz im Westportal

L:  Nach Verlegung des Hofgerichts nach St. Gereon wurden im 17. Jh. das an der Südwand angebrachte
     Dach entfernt und das Südportal zugemauert. Dabei fand ein Grabstein von 1658 Verwendung.(4)
M: Rechts vom zugemauerten Portal sind 2 auf das 9. Jahrhundert datierte Kreuzsteine vermauert.(4)
R: Im Portal des Westturms ist als Scheitelstein ein Grabstein des 8. Jahrhunderts verbaut.(4)
 
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  1. Wikipedia: Raubzüge der Wikinger in das Rheinland
  2. Wikipedia: Hildebold von Köln
  3. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Überlieferung übte Hildebold, einer der bedeutendsten Berater Karls des Großen, starken Einfluss auf Karls Politik aus und erhielt einflussreiche Ämter. Allerdings wird Hildebold zu Unrecht der Bau des karolingischen Doms in Köln zugeschrieben. Der Bau des als Hildebold-Dom bezeichneten Vorgängers des gotischen Doms begann erst nach Hildebolds Tod im Jahr 818, wahrscheinlich um das Jahr 850. Angeschoben hat das Bauprojekt des Hildebold-Doms vermutlich Erzbischof Gunthar
    Wikipedia: Hildebold von Köln - Hildebold-Dom 
  4. Wikipedia: Krieler Dömchen 
 
 
Innenausstattung Alt St. Stephan 
 
Der Innenraum der Kirche beeindruckt nicht mit kunsthistorisch wertvoller Ausstattung und fällt eher puristisch aus.

Stephanusstatue des 18. Jahrhunderts in der Vorhalle Alt St. Stephan Vorhalle im Erdgeschoss des Turms: Taufstein aus Basaltlava (12. Jh.) und Kruzifix (18. Jh.) zwischen barocken Leuchtern Zweischiffige Saalkirche Alt St. Stephan
L:  Vorhalle im Westturm mit Taufstein aus Basaltlava (12. Jh.) und Kruzifix
      (18. Jh.) zwischen barocken Leuchtern
M: Saalkirche mit flachem Seitenschiff, barockem Alter und neuzeitlichen 
     Fenstern, Katharinenstatue (17. Jh.), Madonna mit Kind (15. Jh.)
R: Stephansstatue des 18. Jahrhunderts in der Vorhalle


Umgebung Alt St. Stephan

Ehemalige Krieler Zwergschule an Alt St. StephanKirchhof Alt St. Stephan, Krieler Zwergschule im HintergrundDer bis 1869 belegte Kirchhof ist die älteste Begräbnisstätte in Köln.(1) Etliche alte Grabsteine sind erhalten, aber so stark verwittert, dass Gravuren oftmals nicht oder nur mit Mühe lesbar sind. 
Gegenüber der Kirche befindet sich die denkmalgeschützte ehemalige Krieler Dorfschule, die 1983 im Privatbesitz restauriert und zu einem Wohnhaus umgebaut wurde.


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  1. Schmitz, Britta; Schmitz, Monika (2020): 111 Kölner Kirchen, die man gesehen haben muss, S. 138

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