Montag, 1. November 2021

Licht und Transparenz im wiedereröffneten Bonner Münster

Nordseite des Bonner Münsters am Münsterplatz Langhaus Bonner Münster Kreuzganghof Bonner Münster
 
Mitte 2017 wurde das Bonner Münster für Generalsanierungen geschlossen. Nach mehr als 4-jähriger Arbeit öffnete das Münster am 31.10.2021 seine Innenräume mit einem festlichen Hochamt und einer Kunstausstellung.(1) Unter dem Titel Licht und Transparenz sind im Münster bis zum 31.01.2022 Arbeiten der zeitgenössischen Künstler Anthony Cragg, Heinz Mack, Mariele Neudecker und Gerhard Richter ausgestellt.(2,3) Die Beleuchtung des Innenraums gestaltete Monica Bonvicini. Dank potenter Sponsoren ist der Besuch der Ausstellung kostenlos. Am Tag nach der Wiedereröffnung lassen wir uns und bei sonnigem Wetter an diesem Ort bezaubern. - Fotoserie
 
Anthony Cragg, Versus, Bronze Mixed Media Aquarium Sculptures,  Mariele Neudecker Heinz Mack, Ohne Titel

L:  Anthony Cragg, Versus (Bronze)
M: Mariele Neudecker, Mixed Media Aquarium Sculptures
R:  Heinz Mack, Ohne Titel

Skupltur Lost in Thought, 2015, Anthony Cragg, im Chorhaus
Anthony Cragg, Lost in Thought
Anthony Cragg, Point of View
Anthony Cragg, Points of View
In Museen moderner Kunst stellt sich eine zurückgenommene Architektur in den Dienst von Kunst, sodass Kunstobjekte in neutraler Umgebung für sich sprechen. Unter bedeutenden Bauwerken rheinischer Romanik besetzt das Bonner Münster einen prominenten Platz. Im Kontext eines mittelalterlichen Kirchenraums, der universale Bedeutung göttlicher Existenz repräsentiert, provozieren Objekte moderner Kunst über einen Dialog hinaus Konfrontationen mit disparaten Weltsichten. Unseren Besuch begleitet die Frage, wie sich moderne Kunst in eine solche Umgebung einfügt und welche Dialoge sich zwischen Kunstobjekten und sakraler Umgebung in der eigenen Wahrnehmung einstellen. Dabei ist uns bewusst, dass Dialoge weder zufällig noch zwangsläufig auftreten, sondern beabsichtigt sind. Um Spannung zu erzeugen, bedarf es subtiler Verständnisse von Wechselwirkungen zwischen Objekten, Raum und Licht. Die Auswahl geeigneter Objekte und ihre Präsentation dürfte mit außerordentlichen Herausforderungen einhergehen. Kuratoren der Ausstellung meistern diese Aufgabe mit Bravour. Im Kirchenraum sind wir spontan emotional berührt und empfinden auf unserem Rundgang magische Momente. Ob die Kunstobjekte als inhaltlich geladene Symbole zu verstehen sind, ist jedoch fraglich. Am ehesten sind Richters Kerze und Neudeckers Aquarium als Symbole zu verstehen. Alle anderen Objekte bleiben sprachlos. Offenbar zielen beabsichtigte Dialoge weniger auf den Intellekt als auf emotionale Befindlichkeit und gehen explosiven Konfliktstoffen inhaltlicher Dialoge aus dem Weg. 
 
Gerhard Richter, Kerze 511-1
Gerhard Richter, Kerze 511-1
Andere Objekte der Ausstellung beeindrucken mehr als Gerhard Richters Kerze 511-1. Die ohne Flackern brennende Kerze soll und will nicht beeindrucken. Die zurückgenommene Schlichtheit der Kerze vermittelt Eindrücke von Ruhe und Wärme. Die Bescheidenheit der Präsentation setzt einen Kontrapunkt zur erhabenen Architektur des Münsters, die absolute Größe postuliert, gegenüber der Menschen zu wenig mehr als Nichts schrumpfen und sich nur Dank Demut und innerer Einkehr der göttlichen Gnade würdig erweisen. Ob die Kerze als Symbol zu verstehen ist, d.h. als ein mit Überschussbedeutung geladenes Objekt, ist eine Frage, deren Antwort in der individuellen Wahrnehmung zu suchen ist. Für den Autor dieses Posts repräsentiert die Kerze das Projekt dieser Ausstellung, die in der Umgebung des Münsters inhaltlich unbestimmt bleibt und ein eher meditatives Spannungsfeld zwischen unendlicher Größe und endlichem Tun öffnet. 
Das Kerzenbild ist ständig von Besuchern umlagert und wird als einziges Objekt der Ausstellung von Security bewacht. Der Sachverhalt dürfte vermutlich nicht dem unspektakulären Objekt, sondern dem Künstler geschuldet sein, dessen Werke relativ massentauglich sind und von Marktmechanismen getriebene Rekordpreise im Kunstmarkt erzielen.(3) 

Die Internetpräsenz zur Ausstellung Licht und Transparenz informiert über dieses Projekt und vermittelt mit ihren qualitativ hochwertigen Bildergalerien Anschaulichkeit. Damit kann und will dieser Post nicht konkurrieren, weshalb nachfolgende Kapitel dieses Posts auf die Vor- und Baugeschichte des Bonner Münsters im Kontext des Zeitgeschehens fokussieren.
 
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  1. Die Sanierung des Außenbereichs wird sich voraussichtlich noch bis Ende 2022 hinziehen, sodass aktuell Teile des Münsters eingerüstet und mit Planen abgedeckt sind.
  2. Internetpräsenz der Ausstellung:
  3. Skulpturen von Tony Cragg, Heinz Mack und anderen Künstlern päsentiert der Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal. - Fotogalerie eigener Fotos: Skulpturenpark Waldfrieden 
  4. Deutschlandfunk: Werke des Malers Gerhard Richter erreichen Weltrekordpreise
 
Vor- und Baugeschichte der Architektur des Bonner Münsters (1)

Hochaltar im Chorhaus   Blick vom Hochchor durch das Langhaus zum Westchor   Hochgrab Ruprechts von der Pfalz im östlichen Seitenschiff (um 1480) vor Dreikönigsfresko mit Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden als Stifter (um 1400)   Barocker Krippen- und Urbansaltar, 1622

Foto-Kurzbeschreibung:
Links:            Ostapsis (um 1140), Hochaltar und Mosaik mit Christus in einer Mandorla als Pantakrator (19. Jh.) (2,3) 
Mitte-links:    Langhaus in Richtung Westen, Westapsis mit Chorraum, Orgelempore mit Klaisorgel und modernem Orgelprospekt
Rechts:         Barocker Krippen- und Urbansaltar, 1622, Retabel mit Jesuskind, Maria, Josef, Hirten und kniender Stifterfigur
 
 
Vorgeschichte des Bonner Münsters
  • Grundplan Bonner MünsterIm Bereich des Münsters gefundene römischer Altäre lassen annehmen, dass ab dem 2. Jahrhundert am Ort der heutigen Münsterkirche eine antike römische Toten-Gedenkstätte (Cella memoriae) stand. 
  • Historiker sind sich nicht einig, ob im 5. oder 6. Jahrhundert eine kleine Saalkirche errichtet wurde. Die Kirche befand sich am Ort der heutigen Krypta und des Ostchors.
  • Ende des 7. Jahrhunderts siedelten sich Kleriker an. 691 wird erstmals eine Basilika erwähnt, die den als Märtyrer verehrten Heiligen Cassius und Florentius geweiht ist. Wie Gereon von Köln, werden Cassius und Florentius der Thebäischen Legion zugeordnet.(4)
  • In karolingischer Zeit des 8. Jahrhunderts wurde das Cassius-Stift gegründet.(5) Mit zunehmender Zahl an Stiftsherren wuchs die Basilika zu einer mehrfach umgebauten und vergrößerten Stiftskirche, die bis im 11. Jahrhunderts bestand und um 1050 abgerissen wurde, um einem Neubau im romanischen Stil zu weichen, der den Kern des Bonner Münsters bildet und als eine der ersten dreischiffigen Großkirchen im Rheinland gilt. 
 
Geschichte des Bonner Münsters
  • Um 1050 begannen die Neubauten von Stiftsgebäude, Kreuzgang und Stiftskirche unter Erzbischof Hermann II., auf dessen Wirken wir bereits in der Kölner romanischen Kirche St. Maria im Kapitol und in der Abtei Brauweiler gestoßen sind.(6,7) Anno II. löste Hermann II. 1056 ab.(8) Mit Anno legte sich 1074 die Kölner Bürgerschaft an, was ihr jedoch schlecht bekam. Erst mehr als 200 Jahre später war die Bürgerschaft in der Schlacht von Worringen erfolgreicher.(9)
  • Um 1150 entstanden der Ostchor und eine neue Apsis mit zwei Flankentürmen.
  • Um 1200 wird über der Vierung ein achteckiger Turm nach dem Vorbild der Kölner romanischen Kirche St. Andreas aufgesetzt.(10) 
  • Nach einem Brand wurde das Langhaus um 1240 neu errichtet.
  • Fertiggestellt wurde das Bonner Münster um 1250 im Übergang von der Romanik zur Gotik. Langhaus und Seitenschiffe sind vom rheinischen Übergangsstil geprägt.
  • Nach der 1288 gegen die Stadt Köln verlorenen Schlacht von Worringen blieb Köln formal Sitz des Erzbistums, aber Kurkölner Erzbischöfe verlegten den Sitz ihrer Residenz in verschiedene Regionen des Kölner Umlands: Zons, Brühl, Lechenich, Godesburg, Bonn.(11) 1597 wurde Bonn offiziell zur kurkölnischen Haupt- und Residenzstadt erhoben. 1825 erfolgte die Rückverlegung des erzbischöflichen Palais nach Köln.
  • 4 Erzbischöfe wurden im Bonner Münster bestattet:
    Erhalten sind nur die Grabstätten von Engelbert und von Ruprecht.
  • Im Truchsessischen Krieg wurde das Bonner Münster gleich zweimal zerstört und geplündert: 1583 und 1587.(12) 
  • 1590 zerstörte ein Großbrand die noch verbliebene Ausstattung bis auf die beiden Grabstätten von Engelbert und Ruprecht.
  • Bei der Belagerung von Bonn wurde 1689 das Münster durch Beschuss aus Richtung Beuel beschädigt. Der Kontext dieses Ereignisses ist ebenso denkwürdig, wie erinnerungs- und merkwürdig.(13)
  • Die vorhandene Innenausstattung des Bonner Münsters entstand zwischen dem ausgehenden 16. und dem 20. Jahrhundert. In der Innenausstattung überwiegen barocke und neoromanische Stilelemente.
  • Im Kontext der Säkularisation des linksrheinischen Gebiets durch französische Revolutionstruppen unter Napoleon wurde 1802 das Cassius-Stift aufgehoben.
  • Die Abteikirche wurde zur Pfarrkirche umgewidmet und die benachbarte Pfarrkirche St. Martin 1812 abgerissen.
  • Während des 2. Weltkriegs erlitt die Bonner Altstadt starke Zerstörungen durch Bombenangriffe. (14,15)
  • 1956 ernannte Papst Pius XII. das Bonner Münster zur Basilica minor
  • 2017 begannen Generalsanierungen des Bonner Münsters und des Kreuzgangs.
 
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  1. Online-Artikel zur Geschichte und Architektur des Bonner Münsters
  2. Internetpräsenz des Stadtpastorals Bonn: Bonner Münster: Die Ostapsis
  3. Internetpräsenz des Stadtpastorals Bonn: Bonner Münster: Jesus Christus - Pantokreator
  4. Siehe Post: Führung in der Kölner romanischen Kirche St. Gereon
  5. Internetpräsenz des Stadtpastorals Bonn: Bonner Münster: Das Cassius-Stift
  6. Siehe Post: Führung in der Kölner romanischen Kirche St. Maria im Kapitol
  7. Siehe Post: Abtei Brauweiler - Machtzentrum, Pfarrkirche, Bettleranstalt, Arbeitsanstalt, KZ, Irrenanstalt, Kulturzentrum, Hochzeitslocation
  8. LVR Portal rheinische Geschichte: Anno II. von Köln
  9. Den Aufstand von 1074 und die Schlacht von Worringen betrachten Kapitel 4 und 5 des Posts: 1700 Jahre Kölner Stadtgeschichte - Führung in Alt St. Heribert und Neu St. Heribert, Köln-Deutz 
  10. Siehe Post: Führung in der romanischen Kirche St. Andreas 
  11. Wikipedia: Residenzen Kölner Bischöfe 
  12. Siehe Kapitel 7 des Posts: 1700 Jahre Kölner Stadtgeschichte - Führung in Alt St. Heribert und Neu St. Heribert, Köln-Deutz 
  13. Siehe Kapitel 8 des Posts: 1700 Jahre Kölner Stadtgeschichte - Führung in Alt St. Heribert und Neu St. Heribert, Köln-Deutz 
  14. General-Anzeiger: So sah das zerstörte Bonn 1945 aus 
  15. LVR Portal rheinische Geschichte: Bonn im Bombenkrieg 1939-1945
 
Außenbereich des Bonner Münsters am Münsterplatz

Nordseite Bonner Münster am Münsterplatz (2013 vor der Generalsanierung) Stahlskulptur "de musica IV", Eduardo Chillida am Eingangsportal des Bonner Münsters Pranger (12./13. Jh.) aus römischem Sandstein mit Trachytkugel auf einer Trachytplatte vor dem Portal des Bonner Münsters

L:  Nordseite Bonner Münster am Münsterplatz 2013 (© Thomas Wolf, www.foto-tw.de, CC BY-SA 3.0 DE)
M: Stahlskulptur "De musica IV" von Eduardo Chillida am Eingangsportal des Bonner Münsters(1)
R:  Pranger (12./13. Jh.) aus römischem Sandstein auf einer Trachytplatte 

Besucher des Kirchengebäudes passieren auf dem Münsterplatz zunächst den leicht nach rechts versetzten Bonner Pranger.(2) Die Trachytkugel auf der Säule des Prangers war ein Herrschaftssymbol. Vom Mittelalter bis zur Neuzeit dienten Pranger als öffentlicher Schandpfahl, an dem Ehrenstrafen (Eigentumsdelikte, Meineid, Treubruch) vollstreckt wurden. Auf ca. 1,50 m Höhe waren am Bonner Pranger Eisenringe angebracht, die um den Hals angeprangerter Personen gelegt wurden. In der Neuzeit sind Pranger als Internetpranger zurückgekehrt.

Links vom Portal ist eine Stahlskulptur des international bedeutenden baskischen Künstlers Eduardo Chillida (1924-2002) aufgestellt. Chilidias Skulptur ist als Statement zu einer zwischen Erhabenheit und Rhythmen schwingenden Musik zu verstehen.(3) Auf dem Münsterplatz tritt die Skulptur in einen Dialog mit dem Bonner Münster. Aufragende Stahlquader der Skulptur korrespondieren mit Türmen des Münsters. Bögen der Skulptur scheinen Rundungen der Apsiden nachzubilden. 
 
Das im gotischen Stil 1240 fertiggestellte Hauptportal auf der Nordseite des Münsters ist eher unscheinbar geraten. Ein Wappen des Vatikans kennzeichnet die Kirche als Basilica minor. Das Mosaik der Verkündigungsszene wurde 1815 im Tympanon angebracht.  

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  1. General-Anzeiger: "De musica IV" oder Der lange Weg zur Kunst
  2. LVR KuLaDig: Pranger auf dem Bonner Münsterplatz
  3. Kölner Stadt-Anzeiger: De musica IV gibt den Ton an

Cassius-Stift und Kreuzgang

Kreuzganghof Bonner Münster Kreuzgang am Bonner Münster Kreuzgang am Bonner Münster

Der Kreuzgang des ehemaligen Cassius-Stifts gilt als der am vollständigsten erhaltene romanische Kreuzgang nördlich der Alpen.(1) Gerhard von Are ließ Mitte des 12. Jahrhunderts die Münster-Basilika ausbauen und an der Südseite der Kirche das zweigeschossige Stiftsgebäude mit integriertem Kreuzgang errichten, von dem drei Flügel mit Resten der Stiftsgebäude erhalten sind. Die älteren Ost- und Westflügel sind mit Tonnengewölben im romanischen Stil ausgestattet. Die Zwerggalerie (offener Arkadengang unter dem Dach) im Obergeschoss des Ostflügels ist ein typisch romanisches Stilmerkmal. Der jüngere Südflügel weist ein Kreuzrippengewölbe auf, das den Übergang zum gotischen Baustiel markiert.  

An den Wänden des Kreuzgangs sind Grabplatten aus mehreren Jahrhunderten angebracht. Die ältesten Memoriensteine stammen aus dem 10. Jahrhundert. Im Hof des Kreuzgangs befindet sich unter einer Bronzeplatte eine Gruft, in der verstorbene Münsterpfarrer bestattet werden. Bei der Restaurierung wurde der Kreuzgang mit einem neuen Lichtkonzept ausgestattet, das bei Dunkelheit im Hof eine besondere Atmosphäre erzeugt.
 
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  1. Internetpräsenz des Stadtpastorals Bonn: Bonner Münster: Der mittelalterliche Kreuzgang

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