Mittwoch, 17. November 2021

Besuch der Kölner romanischen Kirche St. Georg

St-Jakob-St-Georg-Köln-Mercator-1571.jpg St. Jacob und St. Georg, 1827, Zeichnung Johann Peter Weyer, Lithografie Anton Wünsch St. Georg Köln, Nordseite (© Raimond Spekking)
 
L:  Kirchen St. Jakob und St. Georg im Kölner Mercatorplan von Arnold Mercator, 1570/71 
M: St. Jakob und St. Georg - Zeichnung Johann Peter Weyer, Lithografie Anton Wünsch, 1827
R: St. Georg, Nordseite, © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
 
Südlich der römischen Kölner Stadtmauer entwickelte sich im Frühmittelalter im Kirchspiel St. Severin entlang der alten römischen Heeres- und Gräberstraße (Severinstraße) vom römischen Südtor (Hohe Pforte) nach Bonn der Vorstadtbezirk Oversburg (auch Airsbach oder Ayrsburg).(1) Der Duffesbach bildete die Grenze zwischen Oversburg und der Kölner Kernstadt innerhalb der Stadtmauer. Entlang des heute unterirdisch verlaufenden Baches siedelten sich Gerber und Blaufärber an. Als Färberpflanze nutzten Blaufärber in Thüringen angebauten Färberwaid, der in einer Ausbuchtung der Severinstraße am Waidmarkt gehandelt wurde. In der Umgebung des Waidmarkts bestand ein Töpferbezirk. Die zunehmende Verdichtung der Besiedlung verlangte Verbesserungen der seelsorgerischen Versorgung der Bevölkerung. Erzbischof Anno II. (1010-1075) ließ auf der Südseite des Waidmarkts ab 1059 mit dem Kollegiatsstift St. Georg und der Pfarrkirche St. Jakob eine Doppelkirchenanlage errichten.(2,3,4) Da die Kollegiatskirche exklusiv Stiftsherren zur Verfügung stand, diente St. Jakob als Pfarrkirche des einfachen Volks. 1067 erfolgte die Weihe der Kirchen. - Fotoserie
 
Zeichnung von Justus Vingboons: St. Jakob und St. Georg, um 1664/65
St. Jakob und St. Georg, Justus Vingboons, 1664/65
Ostchor der Kirchenruine St. Georg, 1945
Ostchor der Ruine St. Georg 1945
Die Säkularisation des linksrheinischen Gebiets durch französische Revolutionstruppen unter Napoleon verfügte 1802 die Aufhebung des Kollegiatsstifts und die Umwidmung der Abteikirche zur Pfarrkirche. St. Jakob war überflüssig und diente nach Entweihung bis zum Abriss 1825 einige Jahre als Lagerhalle. Bombenangriffe des 2. Weltkriegs erledigten diese Arbeit für St. Georg. Wie andere Kölner romanische Kirchen wurde auch die historisch mehrfach umgestaltete Kirche St. Georg im geglätteten Stil rekonstruiert (bis 1964). Von der ehemaligen Ausstattung ist wenig erhalten. Trotzdem lohnt sich ein Besuch.(5,6)



---------------------------------------------- 
  1. Der Vorstadtbezirk Oversburg unterstand dem Stift St. Severin mit der gleichnamigen Stiftskirche, die wir im Sommer 2021 besichtigt haben: Führung in der romanisch-gotischen Kirche St. Severin. Die kürzlich von uns besichtigte romanische Kirche St. Maria in Lyskirchen (Post: Führung in St. Maria in Lyskirchen) war St. Georg angegliedert. 
  2. Online-Artikel zu St. Georg und seiner Umgebung:
  3. Über den machtbewussten Erzbischof und den Aufstand der Kölner Bevölkerung gegen Anno II. informiert Kapitel 4 des Post 1700 Jahre Kölner Stadtgeschichte - Führung in Alt St. Heribert und Neu St. Heribert, Köln-Deutz  
  4. Neben St. Georg stiftete Anno II. die Klöster St. Maria ad gradus (Köln), Grafschaft (Schmallenberg), Saalfeld (Thüringen), St. Michael (Siegburg) und weihte in Köln 1065 die Kirche St. Maria im Kapitol (Post: Führung in der Kölner romanischen Kirche St. Maria im Kapitol) sowie 1069 die erweiterte Kirche St. Gereon (Post: Führung in der Kölner romanischen Kirche St. Gereon).
  5. Besuch im Rahmen einer vom Kölner Domforum organisierten Führung (12 €/pP) 
  6. Über unser Projekt der Besichtigung romanischer Kirchen im Raum Köln informiert der Post: Besichtigungen romanischer Kirchen im Raum Köln
 
1 Baugeschichte St. Georg
 
1.1 Vorgeschichte(1)
 
Grundriss Römisches Köln
Umrisse römisches Köln (3)
Grundriss des Caesarius-Oratoriums.jpg
1928/31 entdecktes Cäsarius-Oratorium
Otto Doppelfeld entdeckte als Archäologe das Kölner Prätorium, erforschte die römische Kölner Stadtmauer, war ab 1946 Leiter der Ausgrabungen unter dem Dom und 1959-1974 Direktor des Römisch-Germanischen Museums. In seinen zahlreichen Publikationen berichtet Otto Doppelfeld über Grabungen, die 1928-1931 unter St. Georg durchgeführt wurden und Reste von Vorgängerbauten entdeckten.(2) Vor dem südlichen Tor der römischen Stadtmauer bestand als Urbau des 1. Jahrhunderts ein römischer Militärposten (Nr. 7 im Bild rechts), an dem Benifiziarier mit Polizeifunktionen bis zum 4. Jahrhundert Kontrollaufgaben ausübten. 
 
In merowingischer Zeit wurde der römische Bau im 7. Jahrhundert wahrscheinlich unter Bischof Kunibert zu einem dem Heiligen Cäsarius geweihtem christlichen Heiligtum mit Ostapsis um- und ausgebaut.(4) Vermutlich zerstörten Wikinger auf ihren Raubzügen 811/12 das Gebäude, das bis zum 11. Jahrhundert eine Ruine blieb.(5)
 
 
1.2 Salischer Gründungsbau(1)
 
Grundriss des Gründungsbaus.jpg
Grundriss des Gründungsbaus, um 1067
St-Jakob-St-Georg-Köln-Mercator-1571._Detailjpg.jpg
St. Jakob und St. Georg im Kölner
Mercatorplan von 1570/71
1059 gründete Erzbischof Anno II. das Chorherrenstift St. Georg. Mit der Überführung von Reliquien des Heiligen Georg im Jahr 1067 erhielt das neu gegründete Stift das Georgs-Patrozinium.(6) Das 1074 geweihte Stift übernahm im Kirchspiel St. Severin die seelsorgerische Betreuung von St. Jakob, St. Maria in Lyskirchen, St. Johann Baptist.  
Der Gründungsbau war als doppelchörige, dreischiffige Säulenbasilika mit Ost- und Westchor sowie einer fünfschiffigen Hallenkrypta unter dem erhöhten Ostchor ausgeführt. Die flache Holzdecke des Langhauses trugen acht rot geschlämmte, aus anderen Bauwerken stammende antike Säulen mit mächtigen Würfelkapitellen. Die Arme des Querhauses hatten Tonnengewölbe, die Seitenschiffe Kreuzgratgewölbe. Der Westchor war dreiseitig mit halbrunden Nischen gestaltet. Auf der Westseite befanden sich in den Winkeln zum Langhaus kleinere Chorflankentürme. Der dreiteilige Ostchor schloss im Hauptchor mir einer runden Apsis ab. Die niedrigeren Nebenchöre hatten halbrunde Apsiden. Haupt- und Nebenchöre trennten offene Pfeilerarkaden. Östlich der Kirche schlossen um einen Kreuzganghof die Stiftsgebäude an.
 
 
1.3 Staufischer Umbau(7)

Langhaus St. Georg in Richtung Ostchor Nördliches Seitenschiff St. Georg Langhaus St. Georg in Richtung Westbau

L:  Langhaus St. Georg in Richtung Ostchor
M: Nördliches Seitenschiff St. Georg
R: Langhaus St. Georg in Richtung Westbau
 
Um 1150 erhielten auch das Langhaus und der Ostchor Kreuzgratgewölbe. Die Last des Gewölbes erforderte Verstärkungen der Vierungspfeiler und neu hinzugefügte massive Pfeilerpaare, die das Langhaus in zwei quadratische Joche teilten. Die Seitenschiffe blieben fünfjochig. Wegen der neuen Pfeiler musste der Obergaden umgebaut werden. In diesem Kontext erhielt er zusätzliche Fensterpaare. Ehemals offene Arkaden zwischen Haupt- und Nebenchören wurden vermauert. Die mit der Einwölbung vorgenommenen Umbauten verleihen der Raumwirkung des Langhauses eine unharmonische Anmutung. 
 
Von 1180-1188 fand ein Umbau des Westbaus statt, der das Raumgefüge erneut veränderte. Den ehemals bescheidenen Westchor ersetzt ein monumentaler Kubus auf quadratischem Grundriss. Der Westbau ist breiter als das Langhaus. Die massiven Fundamente des Westbaus sollten wahrscheinlich einen Turmbau ähnlich Groß St. Martin tragen. Da dieser Turm nie ausgeführt wurde, verblieb ein von Außen unproportioniert wirkender kompakter 'Stummelturm' mit Holzaufbau und einer Glockenstube unter einem Pyramidendach. Im doppelschaligen Innenraum ist der Kubus mit Rundbögen, Nischen, Laufgang, Säulen-Portalen, Arkaden zweigeschossig reich gegliedert und mit Bauzier versehen. Kapitelle der 22 Säulen des Westbaus sind in hoher Qualität ausgeführt. 

Mit dem Umbau des Westchores ist die mittelalterliche Baugeschichte von St. Georg abgeschlossen. Im Unterschied zu anderen Kölner romanischen Kirchen unterblieben in nachfolgenden Jahrhunderten größere Veränderungen der Bausubstanz.
 
 
1.4 Veränderungen in nachfolgenden Jahrhunderten(8,9)
 
St. Georg, Nordseite Samsons Kampf mit dem Löwen, Sandsteinfigur des 16. Jahrhunderts in der Vorhalle von St. Georg Foto Nordansicht St. Georg, 1911
 
L:  Verbindungsbau mit Fassade des 19. Jahrhunderts an der Nordseite St. Georg
M: Samsons Kampf mit dem Löwen, Sandsteinfigur des 16. Jahrhunderts in der Vorhalle von St. Georg
R: Nordansicht St. Georg auf einem Foto von 1911
  • Im 16. Jahrhundert wurden an die profanen Eingänge des Langhauses zwei Vorhallen angebaut, 1536 auf der Südseite, 1552 auf der Nordseite. Mit der Nordvorhalle wurde zwischen den Kirchen St. Georg und St. Jakob ein nach Osten offener Verbindungsgang im Renaissancestil geschaffen. Von dem Bau sind drei Joche erhalten. Vom Verbindungsgang führt ein Ausgang auf einen östlich gelegenen kleinen Friedhof.
  • Im Kontext der Barockisierung erhielt St. Georg um 1770/80 eine barocke Innenausstattung mit Ausmalungen. Ende des 18. Jahrhunderts ersetzte eine Haube mit Zwiebel das ehemalige Dachprovisorium des Westbaus.
  • Nach dem Abbruch von St. Jakob im Jahr 1825 sowie der Umwidmung als Pfarrkirche wurde die barocke Innenausstattung rückgängig gemacht und der Innenraum neu ausgemalt. 
  • Ende der 1840er Jahre musste St. Georg wegen Baufälligkeit geschlossen werden. Ende der 1870er Jahre begannen Sanierungsarbeiten und neuromanische Ausgestaltungen. U.a. erhielt die Vorhalle eine neue Fassade mit Mosaik-Tympanon und einer plastischen Gruppe.
  • Die Sanierungsmaßnahmen erwiesen sich als nicht ausreichend. Von 1927-1930 erfolgte eine gründliche, kompromisslose Instandsetzung nach dem Vorbild der Baugestalt vom Ende des 12. Jahrhunderts. Um das Raumgefühl des 12. Jahrhunderts erneut entstehen zu lassen, wurden das vielfach veränderte ursprüngliche Raumkonzept wiederhergestellt und Beiwerke späterer Jahrhunderte beseitigt.
  • Köln wurde im 2. Weltkrieg 262 mal bombardiert. Am 2. März 1945 griff die britische Luftwaffe mit 858 Bombern zum letzten Mal an.(10) Diese Bombennacht zerstörte St. Georg bis auf die Krypta und Teile des massiven Westbaus nahezu vollständig.  
  • Die Rekonstruktion der Kirche bis 1964 hatte den Zustand von um 1200 als Ziel und die Instandsetzung von 1930 zum Vorbild. Der Chor des südlichen Seitenschiffs und zerstörte südliche Vorhalle wurden nicht rekonstruiert. Die Raumwirkung des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg vermittelt trotz teilweise unharmonischer Proportionen eine besondere Atmosphäre mittelalterlicher Anmutung, wie sie sich in zuvor besichtigten romanischen Kirchen nicht einstellt.
 
---------------------------------------------- 
  1. Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Georg - Vorgängerbauten
  2. Otto Doppelfeld, Zur Vorgeschichte der Georgskirche in Köln. Erster Bericht über die Grabungen der Jahre 1928-1931, in: Untersuchungen zur frühen Kölner Stadt-, Kunst- und Kirchengeschichte, hg. Walther Zimmermann, Essen 1950 (Die Kunstdenkmäler des Rheinlands. Beih. 2) S. 90-104 
  3. Förderverein der römischen Stadtmauer Köln: Die römische Stadtmauer der CCAA
  4. Ökumenisches Heiligenlexikon: Cäsarius von Terracina
  5. Wikipedia: Raubzüge der Wikinger in das Rheinland 
  6. Ökumenisches Heiligenlexikon: Georg der Märtyrer
  7. Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Georg - Staufischer Umbau 
  8. Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Georg - Renaissance & Barock
  9. Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Georg - 19. & 20. Jahrhundert
  10. Wikipedia: Operation Millenium
 
2 Rundgang in St. Georg(1,2)
 
Apside des nördlichen Seitenschiffs und Ostchor Westchor mit gotischem Gabelkruzifix Friedhof St. Georg

L:  Apside des nördlichen Seitenschiffs und Ostchor mit romanischem Georgs-Kruzifix, 1067 (Replik)
M: Westchor mit gotischem Crucifixus dolorosus, um 1380
R: Friedhof auf der Nordseite St. Georg
 
Im Langhaus sind die salische und die staufische Bauphase deutlich zu erkennen. Die Innenausstattung von St. Georg ist relativ schmucklos. Umso stärker wirken der Raum und die Kruzifixe der Chöre auf Besucher. 
  • Im rekonstruierten Ostchor ist eine Kopie des Georgs-Kruzifixes angebracht. Das Kruzifix zeigt einen bereits verstorbenen Christus in entspannter Haltung eines Triumphkreuzes, nachdem das Werk vollbracht und der Tod besiegt ist. Das Original von 1067 wird als Torso im Museum Schnütgen aufbewahrt.
  • Das Innere des Westbaus ist einschließlich der drei Fenster im originalen Zustand des späten 12. Jahrhunderts erhalten. Im Chor beeindruckt ein ausdrucksstarkes gotisches Crucifixus dolorosus (um 1380), das auf einem Gabelkreuz den leidenden Christus darstellt. Vor dem Chor ist ein romanischer Taufstein (um 1240) aus Trachyt aufgestellt. Vermutlich stammt der Taufstein aus der ehemaligen Pfarrkirche St. Jakob. 
Außerhalb des Westchores wurden 1928-1931 neue Bleiglasfenster nach Entwürfen von Jan Thorn Prikker eingesetzt werden. Da die Originalentwürfe noch vorlagen, konnten die Fenster nach dem 2.Weltkrieg rekonstruiert werden. Krypta und Chor des nördlichen Seitenschiffs waren zum Zeitpunkt unseres Besuchs verschlossen. Der Ostchor mit Schatzkammer durfte nicht betreten werden. In der Schatzkammer wird u.a. ein prachtvolles Evangeliar aus dem Besitz des Erbischofs Anno II. aufgehoben.(4,5,6)  

---------------------------------------------- 
  1. Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Georg - Ausstattung
  2. Wikipedia: St. Georg (Köln)   
  3. Baukunst NRW: St. Georg, Köln
  4. Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Georg - Schatzkammer
  5. Förderverein romanische Kirchen Köln: St. Georg - Evangeliar
  6. Wikipedia: Jüngeres Evangeliar aus St. Georg

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen